Hohle Köpfe
Die Gerüche des Schlachthauses veranlaßten den Magen eines Menschen, sich umzudrehen. Doch in Angua richtete sich etwas auf, sabberte und bettelte, sehnte sich nach wundervoll blutigem Fleisch, von wem auch immer es stammte…
Angua schnupperte. »Ratten? Ich wußte gar nicht, daß du auch Zwerge belieferst.«
Socke verwandelte sich plötzlich in jemanden, der behilflich sein wollte.
»Dorfl! Komm sofort her!«
Die beiden Wächter hörten das Geräusch von Schritten, und jemand kam hinter einigen Rinderrümpfen zum Vorschein.
Manche Leute hatten etwas gegen Untote. Angua wußte, daß ihre Gegenwart Kommandeur Mumm mit Unbehagen erfüllte, auch wenn er sich neuerdings Mühe gab, es nicht so deutlich zu zeigen. Die meisten Personen brauchten jemanden, dem sie sich überlegen fühlen konnten. Die Lebenden haßten die Untoten, und die Untoten verabscheuten die – Angua spürte, wie sich ihre Hände zu Fäusten ballten – Leblosen.
Der Golem Dorfl schlurfte ein wenig, weil eins seiner Beine kürzer war als das andere. Er trug keine Kleidung, denn er hatte nichts zu verbergen. Ganz deutlich waren jene Stellen zu sehen, die im Lauf der Jahre mit frischem Ton… repariert worden waren. Das Flickwerk erwies sich als so umfangreich, daß Angua überlegte, wie alt der Golem sein mochte. Irgendwann einmal hatte jemand versucht, menschliche Muskulatur nachzubilden, doch bei den anschließenden Instandsetzungen war auf solche Ausschmückungen verzichtet worden. Das
Ding
sah aus wie die Töpfe, die Eruptiv verabscheute und die von Töpfern hergestellt wurden, nach deren Ansicht handgefertigte Objekte auch so
aussehen mußten,
als seien sie von Hand gefertigt. In Ton gebrannte Fingerabdrücke galten als Echtheitszeichen und Gütesiegel.
Alles an Dorfl wirkte
künstlich.
Die meisten Reparaturen an seinem Leib hatte er selbst durchgeführt, eine nach der anderen. Seine dreieckigen Augen glühten. Sie enthielten keine Pupillen, nur das dunkelrote Schimmern gefangenen Feuers.
In der einen Hand hielt der Golem ein großes, langes Hackbeil. Grinsis Blick wurde davon angezogen; ihre Miene verriet entsetzte Faszination. Aus der anderen Hand des Geschöpfs lief eine Schnur, die am Hals einer großen, haarigen und ziemlich schlecht riechenden Ziege endete.
»Womit bist du beschäftigt, Dorfl?«
Der Golem nickte in Richtung der Ziege.
»Hast du die Judasziege gefüttert?«
Dorfl nickte erneut.
»Mußt du etwas erledigen, Herr Socke?« fragte Angua.
»Nein, ich…«
»Du
mußt
etwas erledigen«, betonte Angua.
»Ach? Äh… ja? Äh… ja. Na schön. Ich gehe und sehe nach den Innereienkesseln…«
Der Schlachter wandte sich ab, verharrte kurz vor Dorfl und hob den Zeigefinger dicht unter die Stelle, wo bei einem Menschen die Nase gewesen wäre.
»Wenn du mir irgendwelche Probleme bescherst…«, begann er.
»Ich glaube, die Kessel erfordern dringend deine Aufmerksamkeit«, sagte Angua.
Herr Socke eilte davon.
Es war still auf dem Hof, obwohl die Geräusche der Stadt über die Mauern hinwegstrichen. Auf der anderen Seite des Schlachthauses blökten gelegentlich besorgte Schafe. Dorfl stand völlig reglos, in der einen Hand das Beil und in der anderen die Schnur. Er starrte auf den Boden.
»Ist das ein Troll, der versucht, einem Menschen zu ähneln?« fragte Grinsi. »Sieh dir nur die Augen an…«
»Das ist kein Troll, sondern ein Golem«, entgegnete Angua. »Ein Wesen aus Ton. Besser gesagt: ein Apparat.«
»Er hat gewisse Ähnlichkeit mit einem Menschen.«
»Weil er ein Apparat ist, dem man menschliche Form gegeben hat.«
Angua wanderte um das Geschöpf herum. »Ich möchte deine Worte lesen, Dorfl.«
Der Golem ließ die Ziegenleine los, hob das Hackbeil und rammte es in den Holzklotz neben Grinsi – was die Zwergin erschrocken beiseite springen ließ. Dann griff er nach einer Schiefertafel, die er um den Hals trug, nahm einen Stift und schrieb:
Ja.
Angua hob die Hand, und Grinsi bemerkte eine dünne Linie auf der Stirn des Golems. Verdutzt beobachtete sie, wie seine Schädeldecke aufklappte. Angua griff gelassen hinein und holte eine Schriftrolle aus dem Kopf.
Der Golem erstarrte, und das Glühen in den Augen verblaßte.
Angua entrollte das Pergament. »Eine heilige Schrift dieser oder jener Art«, sagte sie. »Das ist immer so. Die Worte stammen aus irgendeiner alten Religion.«
»Hast du das Wesen getötet?«
»Nein. Wie soll man Leben auslöschen, das überhaupt nicht existiert?«
Angua legte die
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