Hohle Köpfe
Karotte. »Es läßt sich kaum feststellen. Seit Jahrhunderten werden keine mehr… konstruiert, aber sie verschleißen nicht.«
»Es werden keine neuen hergestellt?«
»Das haben die Priester ausdrücklich verboten, Kommandeur. Sie meinen, es liefe auf die Erschaffung von Leben hinaus, und das sei allein den Göttern vorbehalten. Andererseits tolerieren sie die bereits existierenden Exemplare, weil sie so nützlich sind. Einige sind eingemauert, stecken in Tretmühlen oder arbeiten ganz unten in einem tiefen Schacht. Sie verrichten unangenehme Arbeiten an gefährlichen Orten. Sie kümmern sich um all die Dinge, die für andere Leute zu schmutzig und zu mühsam sind. Insgesamt gibt es Hunderte von ihnen…«
»Hunderte?« wiederholte Mumm. »Und sie treffen sich auf geheimen Versammlungen und schmieden irgendwelche Pläne? Meine Güte! Wir sollten sie sofort zerstören. Alle.«
»Warum?«
»Gefällt dir vielleicht die Vorstellung, daß sie
Geheimnisse
haben? Ich meine, Trolle und Zwerge gehen ja noch, und selbst Untote sind in gewisser Weise lebendig, wenn auch auf ziemlich scheußliche Art…« Mumm bemerkte Anguas Blick. »Das gilt zumindest für einige von ihnen. Aber Golems? Sie sind doch nur… Dinge, die arbeiten. Genausogut könnten sich einige Schaufeln treffen und miteinander plaudern.«
»Äh… das ist noch nicht alles«, sagte Angua langsam.
»Hast du noch etwas anderes im Keller gefunden?«
»Nein. Ich meine… Es ist schwer zu erklären. Ich hatte so ein… Gefühl.«
Mumm zuckte unverbindlich mit den Schultern. Er hatte gelernt, Anguas Gefühle ernst zu nehmen. Zum Beispiel wußte sie immer, wo sich Karotte befand. Wenn sie im Wachhaus war und plötzlich zur Tür blickte… dann wußte man, daß draußen Karotte die Straße heraufkam.
»Ja?«
»Ich habe… Kummer gespürt. Tiefen Kummer.«
Mumm nickte und rieb sich den Nasenrücken. Ein langer Tag lag hinter ihm, und ein Ende war noch nicht abzusehen.
Er brauchte unbedingt einen Drink. Die Welt um ihn herum war ein heilloses Durcheinander, und wenn er sie durch den Boden eines Glases betrachtete, sah alles viel deutlicher aus.
»Hast du heute schon was gegessen?« fragte Angua.
»Eine Kleinigkeit zum Frühstück«, erwiderte Mumm.
»Du kennst doch das Wort, das Feldwebel Colon manchmal benutzt, um gewisse Dinge zu beschreiben?«
»Meinst du ›lausig‹?«
»Ja. So siehst du aus. Wenn du hierbleibst, sollten wir uns wenigstens Kaffee kochen und etwas Gebäck holen.«
Mumm zögerte.
Lausig.
Er hatte immer gedacht, daß dieses Wort einen Zustand beschrieb, den man nach einer dreitägigen Kneipentour erreichte. Die Vorstellung, daß man so
aussehen
konnte, erfüllte ihn mit Entsetzen.
Angua griff nach der Teebüchse, in der die Wache ihr Geld aufbewahrte. Sie war erstaunlich leicht.
»He, hier sollten mindestens fünfundzwanzig Dollar drin sein. Nobby hat das Geld erst gestern gesammelt…«
Angua drehte die Büchse um. Ein
kurzer
Zigarettenstummel fiel heraus.
»Fehlt auch der Schuldschein?« fragte Karotte.
»Ein
Schuldschein?
Wir reden hier von
Nobby
.«
»
Oh. Natürlich.«
In der
Geflickten Trommel
war es still geworden. Die Zeit des Grölens und der Ausgelassenheit war vorbei, und die Phase der Besinnung – in manchen Fällen auch der Besinnungslosigkeit – hatte begonnen.
Ein Wald von Krügen stand vor Nobby.
»Ich meine, ich meine, was hat’s denn überhaupt für einen Schinn, wenn man genau nachdenkt?« lallte er.
»Du könntest den Titel verscherbeln«, sagte Ron.
»Gute Idee«, ließ sich Feldwebel Colon vernehmen. »Es gibt ‘n Haufen Leute, die viel Geld dafür ausgeben würden, um zum Grafen zu werden. Ja, sie gäben eine Menge dafür, so piekfein zu sein wie du.«
Der dreizehnte Krug verharrte auf halbem Weg zu Nobbs Lippen.
»Könnte Tausende von Dollars wert sein, der Titel«, meinte Ron aufmunternd.
»Mindestens«, bestätigte Colon. »Die Leute würden sich darum raufen.«
»Wenn du es richtig anstellst, verdienst du genug, daß du dich in den Ruhestand zurückziehen kannst«, fügte Ron hinzu.
Der Krug bewegte sich nicht. Verschiedene Ausdrücke huschten durch Nobbys Miene und sprangen dabei geschickt über diverse Warzen und Furunkel hinweg. Es war deutlich zu sehen, wie sehr es in ihm arbeitete.
»Ach, glaubt ihr wirklich?« brachte er schließlich hervor.
Feldwebel Colon wich voller Unbehagen zurück. Er hatte eine unheilverkündende Schärfe in Nobbys Stimme bemerkt.
»Dann könntest du
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