Hohle Köpfe
sich, als zynische Ohren die Worte aus seinem Mund hörten. »Kein einziges Beispiel?«
»Die Leute sagen immer wieder, daß sie jemanden kennen, dessen Freund einen Großvater hat, der gehört hat, daß ein Golem jemanden umgebracht hat. Mehr steckt nicht dahinter. Golems dürfen niemanden töten. Die Worte in ihrem Kopf verbieten es.«
»Eins steht fest«, sagte Mumm. »Die Burschen sind mir unheimlich.«
»Sie sind allen Leuten unheimlich, Herr Kommandeur.«
»Man hört viele seltsame Geschichten über sie«, fügte Mumm hinzu. »Angeblich haben sie tausend Teekannen hergestellt und ein acht Kilometer tiefes Loch gegraben.«
»Ja, aber das ist nicht unbedingt eine kriminelle Aktivität, oder? Es ist nur ganz gewöhnliche Rebellion.«
»Rebellion? Wie meinst du das?«
»Sie gehorchen stumpfsinnig ihren Befehlen«, sagte Karotte. »Jemand ruft ihnen zu: ›Na los, stell Teekannen her!‹ Daraufhin macht sich der Golem an die Arbeit. Man kann ihm keine Vorwürfe machen, wenn er gehorcht. Allerdings hat ihm niemand gesagt,
wie viele
Teekannen er herstellen soll. Niemand will, daß Golems denken, deshalb zeigen sie es ihren Herren, indem sie
nicht
denken.«
»Sie rebellieren, indem sie
arbeiten
?«
»Ist nur so ein Gedanke, Herr Kommandeur. Ich schätze, für die Golems hätte das durchaus einen Sinn.«
Wieder kehrten die Blicke zu Dorfl zurück.
»Kann er uns hören?« fragte Mumm.
»Das bezweifle ich.«
»Die Sache mit den Worten…«
»Äh…« Karotte überlegte kurz. »Ich glaube, Golems halten einen toten Menschen für jemanden, der seine Worte verloren hat. Vermutlich wissen sie nicht, was es mit unserem Leben auf sich hat.«
»Ich versteh’s ebenfalls nicht«, murmelte Mumm.
Er sah in die leeren Augen. Dorfls Schädelklappe war noch immer geöffnet. Licht fiel in den Kopf, und ein Teil davon schien durch die Augenhöhlen wieder heraus. In den Straßen von Ankh-Morpork hatte Mumm viele schreckliche Dinge gesehen, doch dieser stumme Golem war schlimmer als alles andere. Zu leicht konnte man sich vorstellen, wie die Augen plötzlich aufleuchteten, wie sich das Ding in Bewegung setzte und die Fäuste schwang wie Vorschlaghämmer. Es schien in der Natur eines solchen Geschöpfes zu liegen. Es war eine Möglichkeit, ein
Potent
i
al,
das nur auf den richtigen Zeitpunkt wartete.
Darum hassen wir sie, dachte der Kommandeur. Die ausdruckslosen Augen beobachten uns, und die großen Gesichter sind uns immer zugewandt. Und sieht es nicht so aus, als ob sie sich Notizen machen, Namen notieren und dergleichen? Wenn man hört, daß ein Golem in Quirm jemanden den Schädel eingeschlagen hat… Man möchte so etwas glauben.
Eine Stimme erklang tief in Mumm, eine Stimme, die er damals nur in den stillen Stunden der Nacht gehört hatte, nach einer halben Flasche Whisky. Sie flüsterte:
So wie wir sie benutzen… Vielleicht haben wir Angst, weil wir wissen, daß wir etwas Schreckliches verdient haben…
Nein. Es verbirgt sich nichts hinter den Augen. Hier gibt es nur Ton und magische Worte.
Mumm zuckte mit den Schultern. »Ich habe einen Golem verfolgt«, sagte er. »Der Bursche stand auf der Messingbrücke. Verdammtes Ding. Nun gut, wir haben jetzt ein Geständnis und außerdem den Beweis des Augenbilds. Wenn du nichts weiter anzubieten hast als ein… Gefühl, müssen wir…«
»Müssen wir was, Herr Kommandeur?« fragte Karotte. »Wir können ihm nichts mehr antun. Er ist bereits tot.«
»Du meinst, er hat sein Pseudoleben verloren.«
»Ja, Herr Kommandeur. Wenn du es so ausdrücken möchtest.«
»Wenn Dorfl den Alten nicht umgebracht hat – wer dann?«
»Das weiß ich nicht, Herr Kommandeur. Aber ich glaube, Dorfl kennt den Mörder. Vielleicht ist er ihm gefolgt.«
»Könnte man ihm befohlen haben, jemanden zu schützen?«
»Das wäre möglich, Herr Kommandeur. Oder er hat eine entsprechende Entscheidung getroffen.«
»Gleich behauptest du noch, das Ding hätte auch Gefühle. Wo ist Angua?«
»Sie möchte das eine oder andere überprüfen«, erwiderte Karotte.
»Dies hier erschien mir… seltsam. Dorfl hielt es in der Hand.« Er zeigte das Objekt.
»Ein Streichholzstück?«
»Golems rauchen nicht, und sie benutzen auch kein Feuer, Herr Kommandeur. Ich finde es… sonderbar, daß wir so etwas bei ihm gefunden haben.«
»Oh«, sagte Mumm voller Sarkasmus. »Ein
Indiz
.«
Dorfl hatte eine überaus deutliche Fährte auf der Straße hinterlassen – Angua nahm die verschiedenen Gerüche des
Weitere Kostenlose Bücher