Hohle Köpfe
reich und gleichzeitig ein einfacher Mann sein, wie du es dir wünschst«, sagte Ron, der den mentalen Wetterwechsel nicht kommen sah. »Die feinen Pinkel würden übereinander hinwegklettern, um den Grafentitel zu ergattern.«
»Die Abschtammung und dasch Geburtsrecht scholl ich verkaufen?« fragte Nobby. »Für eine Erbschenschuppe?«
»Ich glaube, es muß ›Eintopf‹ heißen«, spekulierte Feldwebel Colon.
»Der richtige Ausdruck lautet ›Linsengericht‹«, meinte ein Zuhörer, um weiteren Unterbrechungen vorzubeugen.
»Ha! Nun, ich schag euch wasch…« Nobby stand auf und torkelte. »Esch gibt einige Dinge, die nicht zu verkaufen schind. Ha! Ha! Isch doch ganz klar. Wer mir die Börse schtiehlt, hat nix… hat nisch gewonnen.«
»Das stimmt«, sagte jemand. »Eine so abgenutzte Börse kann kaum etwas wert sein.«
»Linsengericht?«
fragte eine verwirrte Stimme.
»Worum geht’s dabei?«
»Weil… ich meine, wasch kann ich schon mit… mit Geld anfangen, hm?«
Die anderen Gäste wechselten verblüffte Blicke. Ihrer Meinung nach hätte man auch fragen können: »Ist es angenehm, Alkohol zu trinken?« oder »Schwere Arbeit, möchtest du sie erledigen?«
»Was, ein Linsengericht soll den Adelsstand wert sein?«
»Nun, Geld…«, sagte ein Tapferer ungewiß. »Man könnte sich ein großes Haus damit kaufen, jede Menge Fressalien… was zu trinken… Frauen…«
»Und dadurch wird ein Mann glücklich?« erkundigte sich Nobby und ließ einen glasigen Blick über die Zuhörer schweifen.
Die Leute starrten ihn groß an. Sie glaubten, daß sie sich in einem metaphysischen Labyrinth verirrt hatten.
»Jetzt will ich euch mal wasch schagen«, verkündete Nobby. Er schwankte jetzt so regelmäßig wie ein umgedrehtes Pendel. »So’n Kram bedeutet nichtsch, überhaupt
nichtsch
im Vergleich zum Schtolz auf die eigene Abschtammigung…«
»Abschtammigung?« wiederholte Feldwebel Colon.
»Vorfahren und scho«, erklärte Nobby. »Ich meine, ich habe Vorfahren, und wer kann dasch schon von euch behaupten, na?«
Colon verschluckte sich fast an seinem Bier.
»Jeder hat Vorfahren«, sagte der Wirt ruhig. »Andernfalls wäre der Betreffende nicht hier.«
Nobby versuchte, den Blick beider Augen auf ihn zu richten. »Ja, genau!« erwiderte er schließlich. »Ja! Aber ich… ich habe
mehr
als ihr, kapiert? Dasch Blut der verdammten Könige fliescht bei mir, in meinen Adern, jawohl.«
»Noch«, warf jemand ein. Einige Leute lachten. Es war jene Art von Vorfreude, die Colon zu respektieren und zu fürchten gelernt hatte. Das Lachen erinnerte ihn an zwei Dinge. Erstens trennten ihn nur noch sechs Wochen von der Pensionierung, zweitens lag sein letzter Besuch des Aborts schon eine ganze Weile zurück.
Nobby suchte in seinen Taschen und holte eine zerknitterte Schriftrolle hervor. »Scheht ihr dasch hier?« fragte er und entrollte das Pergament mühsam. »Scheht ihr’s? Ich habe dasch Recht, ein Wappendingsbums zu tragen. Hier schteht’s. ›Graf‹ schteht da, habe ich recht? Damit bin ich gemeint. Du könntescht du könntescht du könntescht meinen Kopf über die Tür hängen.«
»Ja, das könnte ich«, sagte der Wirt und sah zu den übrigen Gästen.
»Ich meine, du könntescht den Namen diescher Taverne ändern, zum Beischpiel in ›Graf vom Ankh‹ oder scho, und dann komme ich regelmäschig hierher und trinke wasch, na, wasch hältscht du davon?« fragte Nobby. »Wenn schich herumspricht, dasch ein Graf zu deinen Gästen zählt, geht dasch Geschäft noch bescher, und ich schtelle dir dafür überhaupt nix in Rechnung. Die Leute schagen: He, dasch ischt eine piekfeine Taverne, da trinkt der Graf de Nobbes, der Laden hat Schtil.«
Jemand packte Nobby am Kragen. Colon kannte den Mann nicht. Er gehörte zu den narbengesichtigen Stammgästen der
Geflickten Trommel,
die etwa um diese Zeit die ersten Flaschen mit den Zähnen öffneten, beziehungsweise mit den Zähnen anderer Leute, wenn es ein wirklich guter Abend war.
»Willst du vielleicht behaupten, daß wir für dich nicht gut genug sind?« fragte der Mann.
Nobby winkte mit der Schriftrolle. Er öffnete den Mund, und Feldwebel Colon wußte, welche Worte er formulieren wollte. Er hörte bereits den gräßlichen, eine Katastrophe auslösenden Klang von: »Laß mich los, du bürgerlicher Lümmel!«
Colon bewies ein hohes Maß an Geistesgegenwart und einen ebenso ausgeprägten Mangel an gesundem Menschenverstand, als er rief: »Seine Lordschaft gibt für alle
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