Hohle Köpfe
scheuß-
licher, al es andere als unbekannter Geruch hing in der Luft.
»Nach dem – bist du bereit? – Kampfbrot von B’hrian Blutaxt!« sagte
Karotte und kramte in den Schubladen des Schreibtischs neben dem
Eingang.
»Du meinst… ein Laib Brot? Du hast mich an diesen Ort geführt, um
mir einen Laib Brot zu zeigen?«
Angua schnüffelte erneut. Ja. Blut. Frisches Blut.
»So ist es«, bestätigte Karotte. »Es ist eine Leihgabe und soll hier für
zwei Wochen ausgestellt werden. Bei der Schlacht vom Koomtal hat
Blutaxt den Laib mit eigenen Händen geschwungen und siebenundfünf-
zig Trolle getötet. Al erdings…« Karottes Stimme veränderte sich: Un-
überhörbarer Enthusiasmus wurde zu bürgerlichem Verantwortungsbe-
wußtsein. »…liegt das alles schon lange zurück, und wir sol ten uns von
derartigen historischen Ereignissen nicht den Blick trüben lassen für die
multiethnische Gesel schaft im Jahrhundert des Flughunds.«
Eine Tür knarrte.
»Das Kampfbrot…«, ließ sich Angua vernehmen. »Schwarz, nicht
wahr? Und ein ganzes Stück größer als ein normaler Laib, habe ich
recht?«
»Ja, stimmt«, sagte Karotte.
»Und Herr Hopkinson… Klein? Mit einem weißen Spitzbart?«
»Das ist er.«
»Und sein Kopf zertrümmert?«
»Wie bitte?«
»Ich glaube, du solltest dir das hier ansehen«, meinte Angua und wich
zur Seite.
Drachenkönig von Wappen saß bei seinen Kerzen.
Das ist also Kommandeur Sir Samuel Mumm, dachte er. Ein dummer
Mann. Offenbar nicht imstande, über den Horizont seines Rangabzei-
chens hinauszusehen. Und solche Leute bringen es heutzutage zu etwas.
Sie haben auch einen gewissen Nutzen; vermutlich hat ihn Lord Vetinari
deshalb befördert und zum Ritter geschlagen. Dumme sind oft zu Din-
gen fähig, über die intelligente Personen nicht einmal nachzudenken
wagen…
Er seufzte und zog ein weiteres Buch zu sich heran. Es war nicht viel
größer und dicker als die anderen in seinem Arbeitszimmer, was jeden
gewundert hätte, der über den Inhalt Bescheid wußte.
Er war stolz darauf. Es war ein recht ungewöhnliches Werk, aber es
überraschte ihn – besser gesagt, es hätte ihn überrascht, wenn ihn wäh-
rend der vergangenen hundert Jahre überhaupt irgend etwas hätte über-
raschen können –, wie leicht ihm einiges davon gefallen war. Er brauchte
das Buch nicht einmal aufzuschlagen, um darin zu lesen. Längst kannte
er den Inhalt auswendig. Sorgfältig gezeichnete Stammbäume, nicht
minder gewissenhaft niedergeschriebene Namen… Er las sie, und
gleichzeitig kamen die Worte aus seinem Gedächtnis.
Die Überschrift auf der ersten Seite lautete: »Die Abstammung von
König Karotte L, durch die Gnade der Götter König von Ankh-
Morpork.« Über die nächsten zwölf Seiten erstreckte sich ein komplexer
Stammbaum, der schließlich in den Hinweis mündete: verheiratet mit…
Die dortigen Worte hatten nur vorläufigen Charakter.
»Delphine Angua von Überwald«, las Drachenkönig laut. »Vater und,
ah-ha, Ahn, Baron Guye von Überwald, auch bekannt unter dem Namen
Silberschwanz. Mutter Serafine Soxe-Bloonberg, auch bekannt als Gelb-
fang, von Gennua…«
Dieser Teil war eine beachtenswerte Leistung. Drachenkönig hatte er-
wartet, daß seine Gesandten Schwierigkeiten bekamen mit den wölfi-
scheren Bereichen von Anguas Herkunft, aber wie sich herausstel te,
brachten auch die Bergwölfe diesen Angelegenheiten großes Interesse
entgegen. Anguas Vorfahren waren in der Hierarchie des Rudels immer
an der Spitze gewesen.
Drachenkönig von Wappen lächelte. Soweit es ihn betraf, spielte die
Spezies nur eine untergeordnete Rol e. Es kam in erster Linie auf einen
guten Stammbaum an.
Nun, so sah die Zukunft aus, wie sie sein konnte.
Er schob das Buch beiseite. Einer der Vorteile eines langen Lebens be-
stand darin, daß man die Fragilität der Zukunft sah. Die Menschen spra-
chen von »Frieden in unserer Zeit« und vom »Reich, das tausend Jahre
währt«, doch schon ein halbes Leben später erinnerte sich niemand mehr
an die betreffenden Personen, geschweige denn an das, was sie gesagt
hatten oder wo der aufgebrachte Mob die Asche ihrer verbrannten Lei-
chen verstreut hatte. Kleinere Dinge änderten die Geschichte. Manchmal
genügten einige geschriebene Worte.
Er griff nach einem anderen Buch. Auf dessen zweiter Titelseite stand:
»Die Abstammung von König…« Wie würde sich der Mann nennen?
Das ließ sich kaum erraten. Und wenn
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