Hohle Köpfe
vergessen…«
»Das wär’s also, wie?« fragte Mumm. »Ich sollte wohl besser gehen.«
»Ich bekomme nur selten Besuch«, sagte Drachenkönig. »Normaler-
weise kümmern sich die Wappenherolde um al es, aber ich dachte, daß
dir eine Erklärung zusteht. Ah-ha. Wir haben jetzt viel zu tun. Einst wa-
ren wir mit richtiger Heraldik beschäftigt, aber dies ist das Jahrhundert des Flughunds, wie ich hörte. Wenn heute jemand seinen zweiten Fleischpa-stetenladen eröffnet, hält er sich gleich für einen Gentleman.« Mit einer
schmalen weißen Hand deutete er auf drei Wappen, die nebeneinander
an einer Tafel hingen. »Der Metzger, der Bäcker und der Kerzenhalter-
macher.« Er lachte mit leisem Spott. »Nun, der Kerzenmacher, um genau
zu sein. Für ihn müssen wir in den Aufzeichnungen nach Hinweisen
darauf suchen, daß er ein Wappen verdient…«
Mumm betrachtete die drei Schilde. »Habe ich das nicht schon mal ir-
gendwo gesehen?« fragte er.
»Ah. Herr Arthur Traggut, Kerzenmacher«, sagte Drachenkönig.
»Plötzlich blüht das Geschäft, und er glaubt, ein feiner Herr werden zu
müssen. Ein Schild, geteilt von einem Schrägbalken d’une mèche en me-
tal gris. Das heißt, ein stahlgrauer Schild, der persönliche Entschlossen-
heit und Eifer zum Ausdruck bringt (wie eifrig, ah-ha, die Geschäftsleute
sind!), geteilt von einem Docht. In der oberen Hälfte sehen wir einen
chandelle in a fenêtre avec rideaux houlant – eine Kerze, die ein Fenster
mit warmem Glanz erleuchtet, ah-ha. Die untere Hälfte enthält zwei
chandeliers illuminé, was symbolisiert, daß der Bursche seine Kerzen
sowohl an Arme als auch an Reiche verkauft. Glücklicherweise war sein
Vater Hafenmeister, weshalb wir eine lampe au poisson – eine Lampe in
Gestalt eines Fisches – hinzufügen konnten. Sie verdeutlicht nicht nur
den Beruf des Vaters, sondern auch den des Sohnes. Für das Motto habe
ich die moderne Sprache gewählt: ›Die Kerze läßt sich gut tragen.‹ Das
war ein wenig frech, ah-ha, aber ich konnte der Versuchung einfach
nicht widerstehen.«
»Wirklich sehr lustig, ah-ha«, erwiderte Mumm. Irgend etwas trat nach
seinem Gehirn und versuchte, dessen Aufmerksamkeit zu wecken.
» Dieses Wappen ist für Herrn Gerhardt Socke, den Präsidenten der Fleischergilde«, sagte Drachenkönig. »Seine Frau hat ihm eingeredet, daß
er unbedingt ein Wappen braucht, und wer sind wir, daß wir der Tochter
eines Kaldaunenhändlers widersprechen könnten. Der Schild ist rot, rot
wie Blut, mit blauen und weißen Streifen, wie die Schürze eines Metz-
gers. Ein Würstchenstrang teilt das Wappen in zwei Hälften. Im Zen-
trum ein Hackbeil, gehalten von einer Hand, die in einem Boxhandschuh
steckt – wir hielten es für passend, ah-ha, auf diese Weise ›Socke‹ darzu-
stellen. Das Motto lautet: Futurus meus est in visceris. Übersetzt: ›Meine Zukunft liegt in den Eingeweiden.‹ Was sich nicht nur auf den Beruf
bezieht, sondern auch, ah-ha, auf die alte Kunst des…«
»…des Weissagens aus Innereien«, beendete Mumm den Satz. »Wirk-
lich er-staunlich.« Das Etwas, das seine Aufmerksamkeit zu erringen
suchte, sprang inzwischen auf und ab.
»Dies hier, ah-ha, ist für Rudolph Potts von der Bäckergilde«, fuhr
Drachenkönig fort. Mit einem dünnen, pergamentenen Finger deutete er
auf den dritten Schild. »Kannst du die Darstel ung deuten, Komman-
deur?«
Mumm richtete einen finsteren Blick darauf. »Das Wappen ist in drei
Felder aufgeteilt, mit einer Rose, einer Flamme und einem Topf. Äh…
Bäcker benutzen Feuer, und ich schätze, der Topf ist für Wasser…«
»Außerdem bezieht er sich auf den Namen. Topf – Pott.«
»Aber wenn er keinen Spitznamen wie etwa Rosie hat…« Mumm blin-
zelte. »Die Rose ist eine Pflanze. So wie Getreide, aus dem man Mehl
gewinnt. Getreide, Feuer und Wasser? Aber der ›Pott‹… Sieht mir eher
wie ein Nachttopf aus.«
»Das alte Wort für ›Bäcker‹ lautet pistor «, erläuterte Drachenkönig.
»Nun, Kommandeur, du hast das Zeug zu einem Wappenherold! Und
das Motto?«
»Quod subigo farinam«, las Mumm und runzelte die Stirn. »›Weil‹… Farinam bedeutet soviel wie ›mit Mehl oder Korn zu tun haben‹, nicht wahr?
Nun… O nein. ›Weil ich den Teig knete‹?«
Drachenkönig applaudierte. »Ausgezeichnet!«
»Ich nehme an, ihr kommt an den langen Winterabenden aus dem La-
chen nicht heraus«, kommentierte Mumm. »Und das ist
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