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Hohle Köpfe

Hohle Köpfe

Titel: Hohle Köpfe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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trugen, bedurfte es keiner besonderen Intel igenz, um sich die
    jüngsten Ereignisse vorstellen zu können.
    Mumm blickte auf die Leiche des Priesters hinab. So viel Blut hätte
    man von einem so dürren und schmalbrüstigen Mann eigentlich nicht
    erwartet. In einem Kampf konnte er sicher kein nennenswerter Gegner
    gewesen sein.
    Der Kommandeur bückte sich und hob behutsam ein Lid des Toten.
    Ein trübes blaues Auge mit schwarzem Zentrum erwiderte seinen Blick
    von dort, wo der alte Priester jetzt weilte.
    Ein frommer Mann, der in zwei kleinen Zimmern gewohnt und sie,
    nach dem Geruch zu urteilen, nur selten verlassen hatte. Konnte der für
    irgend jemanden eine Bedrohung sein?
    Obergefreiter Besuch sah zur Tür herein. »Gerade ist ein Zwerg einge-
    troffen, der keine Brauen und einen angesengten Bart hat. Er meint, du
    hättest ihn herbestellt, Herr Kommandeur. Und einige Leute sagen, Pater
    Tubelcek sei ihr Pfarrer gewesen. Sie wollen ihn bestatten.«
    »Ah, der Zwerg ist sicher Kleinpo«, erwiderte Mumm. Er richtete sich
    auf. »Schick ihn hoch. Und was die Leute betrifft… Sag ihnen, daß sie
    sich noch etwas gedulden müssen.«
    Kleinpo kam die Treppe hoch, sah den Tatort und erreichte gerade
    noch rechtzeitig das Fenster, bevor er sich übergeben mußte.
    »Geht’s dir jetzt besser?« fragte Mumm schließlich.
    »Äh… ja. Ich hoffe es.«
    »Na schön. Dann überlasse ich alles dir.«
    »Äh… was sol ich hier eigentlich machen?« fragte Kleinpo, doch
    Mumm war bereits halb die Treppe hinunter.

    Angua knurrte. Damit wies sie Karotte darauf hin, daß er die Augen öff-
    nen konnte.
    Frauen konnten gerade in kleinen Dingen sehr seltsam sein – diese
    Worte hatte Colon einmal an Karotte gerichtet, als er glaubte, daß der
    junge Mann einen guten Rat benötigte. Sie wol ten nicht ungeschminkt
    gesehen werden. Oder sie bestanden darauf, kleinere Koffer als Männer
    zu kaufen, obgleich sie immer mehr Kleidung mitnahmen. Angua wol te
    nicht beobachtet werden, wenn sie sich vom Menschen in einen Wer-
    wolf oder umgekehrt verwandelte. Es war ihr einfach unangenehm,
    meinte sie. Karotte durfte sie sowohl in der einen als auch in der anderen Gestalt sehen, nicht aber en route dazwischen.
    Durch Werwolfsaugen betrachtet, wirkte die Welt völlig anders.
    Zunächst einmal war sie schwarzweiß. Das galt zumindest für den
    schmalen Bereich der Wahrnehmung, den Angua als Mensch mit dem
    »Sehen« in Verbindung brachte. Doch wer scherte sich darum, wenn die
    Augen auf den Rücksitz verbannt wurden und die Nase fuhr, lachte und
    al e anderen Sinnesorgane verspottete. Nachher erinnerte sich Angua an die Gerüche in Form von Farben und Geräuschen. Blut war dunkel-braun und ein tiefer Baß, altes Brot ein klimperndes hel es Blau, und
    jeder Mensch eine vierdimensionale kaleidoskopische Symphonie. Die
    Nase »sah« nicht nur durch den Raum, sondern auch durch die Zeit.
    Wenn jemand eine Minute lang stillstand, war er für den Geruchssinn
    nach einer Stunde immer noch da – seine individuellen Aromen verblaß-
    ten nur sehr langsam.
    Angua durchstreifte die Flure und Gänge des Zwergenbrotmuseums,
    die Schnauze dicht am Boden. Sie lief auch nach draußen auf die Straße
    und suchte dort nach Spuren.
    Fünf Minuten später kehrte sie zu Karotte zurück und knurrte erneut.
    Als er die Augen wieder öffnete, streifte sie gerade das Hemd über. In
    dieser Hinsicht waren Menschen besser dran: Gegenüber Pfoten hatten
    Hände klare Vorteile.
    »Ich dachte, du würdest jemanden verfolgen«, sagte Karotte.
    »Wen?« frage Angua.
    »Wie bitte?«
    »Ich rieche den Toten, dich und das Brot. Sonst nichts.«
    »Sonst nichts?« wiederholte Karotte verwirrt.
    »Nur Schmutz. Staub. Das übliche Zeug. Oh, es gibt einige Spuren,
    aber die sind mehrere Tage alt. So habe ich zum Beispiel erfahren, daß
    du in der vergangenen Woche hiergewesen bist. Und andere Gerüche
    kommen hinzu: Fett, Fleisch, Kiefernharz, alte Speisen… Eins steht fest:
    Abgesehen von uns hat sich seit einem Tag kein anderes lebendes Ge-
    schöpf an diesem Ort aufgehalten.«
    »Aber du hast doch gesagt, daß jeder eine Spur hinterläßt.«
    »Ja. Das stimmt auch.«
    Karotte sah auf den toten Kurator hinab. Ganz gleich, wieviel Phanta-
    sie er investierte: Der Mann konnte unmöglich Selbstmord begangen
    haben. Nicht mit einem Laib Brot.
    »Vampire?« fragte Karotte. »Sie können fliegen…«
    Angua seufzte. »Ich könnte einen Vampir riechen, der das Museum

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