Hohle Köpfe
und seine Lider zuckten.
Gift, dachte Mumm. Das ist schlimmer als al es andere. Es macht keine
Geräusche, und der Täter kann viele Kilometer entfernt sein. Man sieht
das verdammte Zeug nicht, und oft kann man es nicht einmal riechen
oder schmecken. Man weiß nicht, wo es sich befindet. Nur eins weiß
man: Es tötet langsam…
Lord Vetinari öffnete die Augen.
»Ich bin durstig«, sagte er.
Auf dem Nachtschränkchen standen ein Krug mit Wasser und ein
Glas. Mumm griff nach dem Krug, dann zögerte er. »Ich beauftrage je-
manden, frisches Wasser zu holen«, meinte er.
Der Patrizier blinzelte wie in Zeitlupe.
»Ah, Sir Samuel, wem kannst du trauen?« erwiderte er leise.
Als Mumm nach unten ging, stel te er fest, daß in der großen Audienz-
kammer viele Personen warteten. Vol er Unruhe wanderten sie umher
und zeigten das typische Verhalten von wichtigen Leuten: Wenn Be-
sorgnis und Unsicherheit ein gewisses Ausmaß erreichten, schlugen sie
um in Ärger.
Herr Boggis von der Diebesgilde trat als erster an den Kommandeur
heran. »Was geht hier vor, Mumm?« fragte er.
Er begegnete Mumms durchdringendem Blick. »Sir Samuel, meine
ich«, korrigierte er sich und verlor dadurch etwas von seinem energi-
schen Schwung.
»Ich glaube, Lord Vetinari wurde vergiftet«, sagte Mumm.
Das Hintergrundbrummen Dutzender von Stimmen wich jäher Stille.
Boggis begriff, daß er die Frage gestellt hatte, weshalb er nun im Mittel-
punkt stand. »Äh… auf fatale Weise?« erkundigte er sich.
In dem erwartungsvol en Schweigen wäre eine Stecknadel laut zu Boden gefal en.
»Noch nicht«, sagte Mumm.
Köpfe drehten sich, und die allgemeine Aufmerksamkeit wandte sich
Herrn Witwenmacher zu, dem Oberhaupt der Assassinengilde.
»Ich weiß nichts von einem Auftrag, der Lord Vetinari betrifft«, erklär-
te Witwenmacher. »Außerdem dürfte das Honorar für den Patrizier all-
gemein bekannt sein: Wir haben es auf eine Million Ankh-Morpork-
Dollar festgelegt.«
»Und wer hat schon so viel Geld?« fragte Mumm.
»Nun, du zum Beispiel, Sir Samuel«, entgegnete Witwenmacher. Hier
und da erklang nervöses Lachen.
»Wir möchten zum Patrizier, um einen unmittelbaren Eindruck von
seinem Zustand zu bekommen«, sagte Boggis.
»Nein.«
»Nein? Und warum nicht, wenn ich fragen darf?«
»Anweisung des Arztes.«
»Ach? Welcher Arzt hat eine solche Anweisung erteilt?«
Der hinter Mumm stehende Feldwebel Colon schloß die Augen.
»Dr. Karl Folsom«, antwortete Mumm.
Es dauerte einige Sekunden, bis jemandem ein Licht aufging. »Was?
Meinst du etwa… Krapfen-Karl? Er ist ein Vieh doktor?«
»Das habe ich gehört«, erwiderte Mumm.
»Warum ausgerechnet er?«
»Weil viele seiner Patienten überleben.« Mumm hob die Hände, als
protestierende Stimmen laut wurden. »Und nun, meine Herren… Ich
muß euch verlassen. Irgendwo treibt sich jemand herum, der versucht,
andere Leute zu vergiften. Ich möchte ihn finden, bevor er zum Mörder
wird.«
Er kehrte zur Treppe zurück und schenkte den hinter ihm laut wer-
denden Rufen keine Beachtung.
»Glaubst du, mit Krapfen-Karl wirklich eine gute Wahl getroffen zu
haben, Herr Kommandeur?« fragte Colon und schloß zu ihm auf.
»Vertraust du ihm?«
»Natürlich nicht!«
»Na bitte. Er ist nicht vertrauenswürdig, und deshalb schenken wir ihm
kein Vertrauen. So weit, so gut. Aber ich habe erlebt, wie er ein Pferd
wieder auf die Beine gebracht hat, von dem al e anderen glaubten, es
wäre reif für den Abdecker. Viehdoktoren müssen Resultate erzielen, Fred.«
Das stimmte. Wenn ein Arzt, der Menschen behandelt, nach intensi-
vem Aderlaß und Schröpfen feststellt, daß sein Patient aus reiner Ver-
zweiflung gestorben ist, sagt er einfach: »Tja, schade, es war der Wille der Götter, das macht dreißig Dol ar.« Anschließend geht er als freier Mann
fort. Menschen haben in dem Sinn keinen Wert. Ein gutes Rennpferd
hingegen kann zwanzigtausend Ankh-Morpork-Dol ar wert sein. Ein
Arzt, der es zu früh zur großen Koppel in den Himmel schickt, muß
damit rechnen, daß er bald in irgendeiner dunklen Gasse eine Stimme
hört, die ihm mitteilt: »Herr Chrysopras ist sehr verärgert.« Und er darf erwarten, daß der kurze Rest seines Lebens vol er unliebsamer Zwischenfäl e steckt.
»Niemand scheint zu wissen, wo Hauptmann Karotte und Angua
sind«, sagte Colon. »Heute ist ihr freier Tag. Außerdem ist Nobby ver-
schwunden.«
»Dafür sollten wir eigentlich dankbar
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