Hohle Köpfe
Äh… um ehrlich zu sein, bin ich auf
einem weißen Pferd auf und ab geritten…«
»Ach? Spielst einen General, wie?«
»Äh… etwas mehr als einen General…«
»Ich bin ganz Ohr.«
Nobbys Adamsapfel tanzte nervös auf und ab. »Ich spiele den König
Lorenzo. Äh…, du weißt schon, jenen König, den dein… äh…«
Die Zimmertemperatur schien um mindestens zehn Grad zu sinken.
» Du… schlüpfst in die Rol e von…«, begann Mumm und schälte jedes
Wort wie eine Frucht des Zorns.
»Ich wußte, daß du sauer wirst«, klagte Nobby. »Das sagte auch Fred
Colon.«
»Warum ausgerechnet du ?«
»Wir haben gelost, Herr Kommandeur.«
»Und du hast verloren?«
Nobby wand sich hin und her. »Äh… nein, nicht unbedingt verloren,
Herr Kommandeur. Eher gewonnen. Alle wollten ihn spielen. Weil man in der Rol e ein prächtiges Pferd und ein hübsches Kostüm bekommt und
so, Herr Kommandeur. Außerdem war er ein König, das muß man ihm
lassen.«
»Der Bursche war ein irrer Mörder!«
»Seitdem ist viel Zeit vergangen«, entgegnete Nobby nervös.
Mumm beruhigte sich ein wenig. »Und wer hat das Los des alten Stein-
gesichts gezogen?«
»Äh… äh…«
»Nobby!«
Nobbs ließ den Kopf hängen. »Niemand, Herr Kommandeur. Nie-
mand wol te ihn spielen.« Der kleine Korporal schluckte und gab sich
dann einen Ruck wie jemand, der al es hinter sich bringen wol te. »Des-
halb nehmen wir eine Gestalt aus Stroh, Kommandeur. Die wird gut
brennen, wenn wir sie am Abend ins Feuer werfen. Und anschließend
gibt es ein Feuerwerk«, fügte er hinzu und rechnete mit dem Schlimm-
sten.
Mumms Gesicht verwandelte sich in eine ausdruckslose Maske. Nobby
zog es vor, wenn die Leute schrien. In seinem Leben war er ziemlich oft
angeschrien worden – daran hatte er sich inzwischen gewöhnt.
»Niemand wollte Steingesicht Mumm spielen«, sagte Mumm eisig.
»Weil er auf der Verliererseite steht, Herr Kommandeur.«
»Auf der Verliererseite? Mumms Eisenköpfe haben die Stadt sechs
Monate lang regiert.«
Erneut rutschte Nobby auf dem Stuhl hin und her. »Ja, aber… In der
Freizeitgesel schaft sagen sie, dazu sei er nicht berechtigt gewesen, Herr Kommandeur. Es heißt, er hätte nur Dusel gehabt. Er war seinen Geg-nern zehn zu eins unterlegen. Und er hatte Warzen. Außerdem ist er brutal gewesen, wenn man genauer darüber nachdenkt. Immerhin hat er
einen König geköpft, Herr Kommandeur. Man braucht eine große Por-
tion Gemeinheit, um dazu fähig zu sein. Womit ich dir keineswegs zu nahe treten möchte.«
Mumm schüttelte den Kopf. Warum regte er sich darüber überhaupt
auf? (Und er regte sich auf; er spürte es ganz deutlich.) Colon hatte recht: Seit damals war tatsächlich viel Zeit vergangen. Die Geschichte scherte
sich nicht darum, was in den Köpfen einiger dummer Romantiker vor-
ging. Fakten blieben Fakten.
»Na schön, ich verstehe«, sagte er. »Es ist fast komisch. Es gibt da
nämlich noch etwas anderes, über das ich mit dir reden wol te.«
»Ja, Herr Kommandeur?« fragte Nobby erleichtert.
»Erinnerst du dich an deinen Vater?«
Von einem Augenblick zum anderen schien Nobbs wieder der Panik
nahe zu sein. »Was veranlaßt dich, plötzlich solche Fragen zu stel en,
Herr Kommandeur?«
»Oh, ich bin nur neugierig.«
»Du meinst den alten Sconner, nicht wahr? Nun, ich hab ihn nur selten
gesehen. Meistens dann, wenn die Militärpolizei kam, um ihn vom
Dachboden zu holen.«
»Was weißt du über deine… äh… Antezedenzien?«
»Das ist eine Lüge, Herr Kommandeur. Ich habe keine Ante-
Dingsbums, ganz gleich, was man dir gesagt hat.«
»Oh. Gut. Weißt du überhaupt, was ich mit ›Antezedenzien‹ meine?«
Nobbys Unruhe wuchs. Er mochte es nicht, von Polizisten befragt zu
werden, unter anderem deshalb, weil er selbst einer war. »Äh… nicht
direkt, Herr Kommandeur.«
»Hat man dir nie etwas über deine Ahnherren erzählt?« Mumm beo-
bachtete, wie erneute Sorge durch Nobbs Züge huschten, und fügte hin-
zu: »Über deine Vorfahren?«
»Ich kenne nur den alten Sconner, Herr Kommandeur. Wenn du mit
diesen Fragen herausfinden willst, was mit den Gemüsesäcken geschah,
die aus dem Laden in der Sirupminenstraße verschwanden, Herr Kom-
mandeur… Ich versichere dir, daß ich nicht einmal in der Nähe war…«
Mumm winkte ab. »Hat er dir nichts… hinterlassen? Dein Vater, meine
ich.«
»Ein paar Narben. Und die Sache mit dem Ellenbogen. Er schmerzt,
wenn das Wetter
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