Hohle Köpfe
Benommen stemmte sich Mumm auf
den El enbogen hoch und fragte die nächtliche Welt: »Meine Güte, wie
spät ist es eigentlich?«
»Bimmel-bammel-bumm-bumm«, verkündete eine fröhliche Stimme
von der Frisierkommode.
»Oh, bitte…«
»Es ist neunundzwanzig Minuten und einunddreißig Sekunden nach
fünf Uhr morgens. Wer den Pfennig nicht ehrt, ist des Talers nicht wert.
Sol ich dir den Zeitplan für heute vorlesen? Übrigens könntest du bei
dieser Gelegenheit die Registrierungskarte ausfül en.«
»Was? Wovon redest du?«
Es hämmerte weiter.
Mumm stand auf und tastete im Dunkeln nach Streichhölzern. Schließ-
lich gelang es ihm, eine Kerze anzuzünden und damit über die Treppe
nach unten in den Saal zu wanken.
Der Hämmerer erwies sich als Obergefreiter Besuch.
»Es geht um Lord Vetinari, Herr Kommandeur! Diesmal ist es noch
schlimmer!«
»Hat jemand nach Krapfen-Karl geschickt?«
»Ja, Herr Kommandeur!«
Der Nebel kämpfte gegen die heranrückende Morgendämmerung. Die
Welt sah aus, als läge sie im Innern eines Tischtennisballs.
»Als mein Dienst begann, habe ich nach dem Rechten gesehen, und da
hatte er bereits das Bewußtsein verloren.«
»Woher weißt du, daß er nicht einfach nur geschlafen hat?«
»Vollkommen angezogen, Herr Kommandeur? Auf dem Boden?«
Als Mumm außer Atem und mit schmerzenden Knien im Palast ein-
traf, war der Patrizier von zwei Wächtern aufs Bett gelegt worden. Bei
den Göttern, dachte Mumm, als er die Treppe erklommen hatte. Es ist
nicht mehr wie in der guten alten Knüppel-und-Glocke-Zeit. Damals hat
es dir überhaupt nichts ausgemacht, zweimal hintereinander durch die
halbe Stadt zu laufen. Es gab häufig Verfolgungsjagden zwischen Ver-
brechern und Polizisten.
Mit einer seltsamen Mischung aus Stolz und Verlegenheit fügte Mumm
hinzu: Und nie hat mich einer der Burschen eingeholt.
Der Patrizier atmete noch, doch sein Gesicht war wächsern. Er sah
aus, als könnte der Tod seine Lage verbessern.
Mumms Blick wanderte durchs Zimmer. Ein vertrauter Dunst hing in
der Luft.
»Wer hat das Fenster geöffnet?« fragte er.
»Ich, Herr Kommandeur«, erwiderte Besuch. »Bevor ich losgerannt
bin, um dich zu benachrichtigen. Er schien ein wenig frische Luft zu
brauchen…«
»Bei geschlossenem Fenster wäre die Luft hier drin frischer«, sagte Mumm.
»Na schön. In zwei Minuten erwarte ich al e Personen, die sich heute
nacht im Palast aufgehalten haben, unten im Saal. Jemand sol Korporal
Kleinpo Bescheid geben. Und Hauptmann Karotte.«
Ich bin besorgt und verwirrt, dachte er. Die erste Regel besteht darin,
alles in Bewegung zu setzen.
Er ging langsam durchs Zimmer. Man brauchte nicht viel Intelligenz,
um zu erkennen, daß der Patrizier aufgestanden war und eine Zeitlang
am Schreibtisch gearbeitet hatte. Eine Kerze war ganz heruntergebrannt,
das kleine Tintenfaß umgekippt. Vermutlich hatte Vetinari es umgesto-
ßen, als er vom Stuhl gefallen war.
Mumm tauchte einen Finger in die Tinte und schnupperte daran. Dann
streckte er die Hand nach dem Federkiel aus, zögerte, holte sein Messer
hervor und hob die Feder vorsichtig damit an. Sie schien keine verbor-
genen Stacheln zu haben, aber Mumm legte sie dennoch beiseite, damit
Kleinpo sie später untersuchen konnte.
Er blickte auf das hinab, woran Vetinari gearbeitet hatte.
Erstaunlicherweise war es kein Text, sondern eine Zeichnung. Sie zeig-
te eine schreitende Gestalt, die jedoch keine einzelne Person war. Sie
bestand vielmehr aus Hunderten von kleinen Gestalten. Mumm wurde
durch sie an die Männer aus Korbgeflecht erinnert, die einige Stämme,
die nahe der Mitte wohnten, jedes Jahr bauten, wenn sie den Zyklus der
Natur feierten und ihren Respekt vor dem Leben zeigten, indem sie
möglichst viel davon zu einem großen Haufen zusammentrugen und
dann anzündeten.
Die zusammengesetzte Gestalt trug eine Krone.
Mumm schob das Blatt Papier beiseite und richtete seine Aufmerk-
samkeit auf den Schreibtisch. Behutsam strich er über die Oberfläche,
auf der Suche nach verräterischen Splittern. Er ging in die Hocke und
sah sich die Unterseite an.
Draußen wurde es hel er. Mumm ging in die beiden Nebenräume und
zog dort die Vorhänge beiseite, kehrte anschließend ins Schlafzimmer
zurück, schloß die Tür und zog den Vorhang zu. Dann ging er langsam
an den Wänden entlang und suchte nach eindringendem Licht, das ein
kleines Loch verriet.
Was kam sonst noch in Frage? Splitter im
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