Hohle Köpfe
Boden? Ein kleines Blasrohr
durchs Schlüsselloch?
Er zog den Vorhang wieder auf.
Gestern war Lord Vetinari auf dem Weg der Besserung gewesen, und
jetzt ging es ihm schlechter. Während der Nacht mußte irgend etwas
geschehen sein. Was? Und wie? Langsames Vergiften war alles andere als
einfach. Man mußte einen Weg finden, dem Opfer immer wieder kleine
Dosen zu verabreichen.
Nein, widersprach Mumm sich selbst. Man muß dafür sorgen, daß sich
das Opfer die kleinen Dosen selbst verabreicht.
Mumm kramte in den Papieren. Ganz offensichtlich hatte sich Vetinari
fit genug gefühlt, um aufzustehen und sich an den Schreibtisch zu set-
zen. Doch dann war er bewußtlos vom Stuhl gefal en.
Ein Splitter oder Nagel kommt nicht in Frage, weil sich das Opfer
nicht immer wieder daran sticht…
Ein Buch lag zwischen den vielen Dokumenten, darin steckten zahl ose
Lesezeichen. Die meisten von ihnen bestanden aus Teilen von alten
Briefen.
Womit beschäftigt sich der Patrizier jeden Tag?
Mumm öffnete das Buch. Auf jeder Seite standen handgeschriebene
Symbole.
Ein Gift wie Arsen muß in den Körper gelangen. Es genügt nicht, das
Zeug nur zu berühren. Oder viel eicht doch? Gibt es eine besondere Art
Arsen, die von der Haut aufgenommen wird?
Mumm war ziemlich sicher, daß inzwischen kein Attentäter mehr bis
zu Vetinari vordringen konnte.
Die Speisen und Getränke enthielten vermutlich kein Gift, aber
Mumm beschloß trotzdem, daß Detritus sich noch einmal die Köche
vorknöpfen sol te.
Hat Vetinari das Zeug viel eicht eingeatmet? Aber wie kann er so Tag
für Tag eine Dosis bekommen, ohne daß jemand Verdacht schöpft? Au-
ßerdem müßte das Gift in diesem Fal hier im Zimmer sein.
Und wenn es sich bereits im Zimmer befindet? Grinsi hat das Bett
durch ein anderes ersetzen lassen und auch den Läufer ausgetauscht.
Was können wir sonst noch unternehmen? Viel eicht die Farbe von der
Decke kratzen?
Was hatte Grinsi von Vetinari über die Kunst des Vergiftens gehört?
Verstecke das Gift dort, wo es niemand vermutet…
Mumm stel te fest, daß er noch immer auf das Buch hinabblickte. Die
Schriftzeichen blieben ohne Bedeutung für ihn. Vermutlich waren sie
irgendwie verschlüsselt. Und wenn der Code auf Lord Vetinaris Phanta-
sie basierte, ließ er sich mit gesundem Menschenverstand al ein sicher
nicht knacken.
Und wenn man ein Buch mit Gift präparierte? Aber zu welchem
Zweck? Es gab noch viele andere Bücher. Das hatte nur Sinn, wenn man
genau wußte, daß der Patrizier dieses speziel e Exemplar jeden Tag be-
nutzte. Und selbst dann mußte man eine Möglichkeit finden, das Gift
dem Körper zuzuführen. Wer sich einmal an irgend etwas stach, paßte
danach auf.
Manchmal erschrak Mumm über das Ausmaß seines eigenen Mißtrau-
ens. Wenn man sich zu fragen begann, ob jemand von Worten vergiftet
werden konnte… konnte man ebensogut der Tapete vorwerfen, daß sie
einen Mann in den Wahnsinn trieb. Ein so grauenhaftes Grün konnte
einen tatsächlich um den Verstand bringen…
»Bimmel-bimmel-bumm!«
»O nein…«
»Dies ist dein für sechs Uhr morgens programmierter Weckruf! Guten
Morgen! Hier sind deine Termine für heute, an dieser Stelle bitte Namen
einfügen! Zehn Uhr morgens…«
»Sei still! Was auch immer für heute in meinem Terminkalender steht –
es spielt überhaupt keine…«
Mumm unterbrach sich und ließ die Schachtel sinken.
Er kehrte zum Schreibtisch zurück. Wenn man von einer Seite pro Tag
ausging…
Lord Vetinari hatte ein gutes Gedächtnis, aber jeder notierte sich et-
was. Man konnte nicht al e kleinen Details im Kopf behalten. Mittwoch,
fünfzehn Uhr: Schreckensherrschaft. Fünfzehn Uhr fünfzehn: Skorpion-
grube reinigen…
Er hob den Organizer vor die Lippen. »Nimm eine Notiz auf.«
»Hurra! Wird sofort erledigt! Vergiß nicht, vorher ›Notiz Anfang‹ zu
sagen.«
»Was ist… Verdammt, Mist. Notiz Anfang: Was ist mit Vetinaris Ta-
gebuch?«
»Das ist alles?«
»Ja.«
Jemand klopfte höflich an die Tür, und Mumm öffnete sie vorsichtig.
»Oh, du bist’s Kleinpo.«
Mumm blinzelte. Irgend etwas an dem Zwerg schien nicht zu stimmen.
»Ich habe sofort etwas von Herrn Krapfens… Heilmittel angerührt,
Herr Kommandeur.« Der Zwerg blickte zum Bett. »Ooh… Er sieht gar
nicht gut aus…«
»Jemand soll ihn in ein anderes Schlafzimmer tragen«, sagte Mumm.
»Die Palastbediensteten sol en einen Raum vorbereiten.«
»Ja, Herr
Weitere Kostenlose Bücher