Hola Chicas!: Auf dem Laufsteg meines Lebens (German Edition)
sagte die jüngere Frau, »Ihrem Neffen geht es bestimmt gut, er wohnt in Prag, ist sehr erfolgreich in der Modebranche und sehr bekannt.«
»Darf ich dieses Magazin kurz ausleihen?«, fragte Tante Fela.
Gesagt, getan – sie packte die Zeitschrift, lief so schnell sie konnte nach Hause zu meiner Mutter und schrie noch im Türrahmen stehend: »Cuca« – das war der Kosename meiner Mutter –, »Cuca, wir haben gerade eine tolle Nachricht erhalten. Dabei wedelte sie mit dem Magazin in der Hand herum: »Jorge lebt.« Die Frauen fielen sich in die Arme und riefen immer wieder weinend: »Endlich, er lebt.«
Meine Tante brachte das Magazin zurück und lud die Frauen für den Abend ein, um unser »halbes Wiedersehen« zu feiern. Ich weiß nicht, wie oft die junge Frau erzählen musste, was sie über mich wusste.
Ab diesem Zeitpunkt hatten meine Familie und ich nicht nur ein Lebenszeichen voneinander erhalten, sondern auch eine »Kontaktfrau« gefunden. Der erste Austausch unseres privaten »Nachrichtendienstes« fand in Form eines Pakets statt, das meine Mutter der jungen Frau mitgab, bevor sie nach Prag zurückkehrte, Darin befanden sich eine Mango, Bananen, ein paar Cherimoyas, ein Foto der Familie und viele Briefe von all meinen Verwandten.
Als die junge Frau mich in Prag ausfindig gemacht hatte, rief sie mich an und sagte: »Ich habe Nachrichten von deiner Familie.«
»Wie bitte?« Ich war total aus der Hose **** . Als wir uns trafen, überreichte sie mir das Paket, erzählte mir von meiner Familie, und wie glücklich alle waren, dass es mir gut ging. Da sie ein paar Leute kannte, die häufig nach Kuba reisten, bot sie mir an, eine Verbindung herzustellen, damit ich ihnen für meine Familie etwas mitgeben konnte. Von diesem Moment an hatte ich wieder Kontakt nach Hause, auch wenn ich selbst nach wie vor nicht einreisen durfte. Als kleiner Junge habe ich das strenge Regiment meiner Tante Fela gehasst, heute bin ich dankbar für ihre Entschlossenheit, denn so bekam meine Familie nach fast zwei Jahren Funkstille endlich ein Lebenszeichen von mir.
Express yourself
Eine Tante meines besten Freunds Manuel sagte immer: »Intelligenz ist nicht, dass du mehr weißt in einer Diskussion als andere. Sondern, dass du dich der Intelligenz deines Gegenübers anpassen kannst. Denn nur so kann dich der andere verstehen.«
Ich glaube, sie wollte uns damit sagen: Du gewinnst nicht, wenn du jemanden, der dich nicht versteht, zu etwas überreden willst. Das funktioniert nicht. Denn dieser Mensch weiß nicht, wovon du sprichst. Wenn du willst, dass ein anderer dich versteht, musst du es so sagen, dass er dich auch wirklich verstehen kann.
Diese Botschaft habe ich nie vergessen. Deshalb beobachtete ich, hörte ich zu, hinterfragte und bildete mir selbst eine Meinung. Schon als Kind fragte ich bei allem nach dem Warum: Warum sind Homosexuelle schlecht? Warum macht sich der Junge aus meiner Klasse über meine bemba , meine dicke Unterlippe, lustig? Warum behaupten meine Freunde, dass alle Schwulen Kriminelle sind, wo ich doch nicht einmal einer Fliege etwas zuleide tun kann?
Dieses Warum brachte eine Konversation in Gang, die in der Wirklichkeit nicht stattfand. Eine Art Dialog, den ich in Gedanken mit mir selbst führte, um zu verstehen, was in anderen Menschen vorging. Was sie dazu brachte, etwas Schlechtes zu mir oder über mich zu sagen. Vielleicht habe ich mir als Kind ganz instinktiv vorm Spiegel gesagt: »Du bist nicht schlecht«, weil mir meine eigenen Worte Mut machten, wieder neue Fragen zu stellen.
Diese Neugier half mir sehr, während ich in Europa auf mich selbst gestellt war. Als ich anfing zu reisen und die Welt zu entdecken, beobachtete ich ganz genau, was um mich herum vorging. Ich hörte zu und achtete darauf, was die anderen Menschen sagten oder taten.
Einmal lud mich eine Freundin ein, ein paar Wochen mit ihr auf Ibiza zu verbringen. Ich verliebte mich sofort in diese Insel, die ich »mein europäisches Kuba« taufte: Sommer, Sonne, Meer, Lebensfreude, lockere Atmosphäre, eine gute Stimmung und Tanzen, Tanzen, Tanzen – das alles war wie zu Hause. Die Leute feierten und genossen das Leben. Aber es gab auch Unterschiede: Ibiza war wie eine Vierundzwanzig-Stunden-Fashionshow, ein riesiger, bunter Catwalk, auf dem du deine ganze Extravaganz und Exzentrik ausdrücken und ausleben durftest. Alles war erlaubt auf dieser Insel. Man konnte sich anziehen und benehmen, wie man wollte. Ibiza war eine Partyinsel … Und
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