Holidays on Ice
Weihnachtsmann heute Nachmittag den Antrieb gab, war die Langeweile seiner seit neun Jahren andauernden Beziehung. Zum Abschied winkte er den Kindern nach, drehte sich dann zu mir um und sagte: »Ich wünsch mir eine Affäre, verdammt-noch-mal –, nur eine kleine Liebschaft, damit ich die nächsten vier bis fünf Jahre durchstehe.« Manche Kinder werden kurz vor ihrem Besuch beim Weihnachtsmann nerv ös. Sie gehen auf und ab und ringen die Hände und starren den Fußboden an. Sie benehmen sich, als hätten sie gleich ein Einstellungsgespräch. Ich sage: »Mach dir keine Sorgen, der Weihnachtsmann wird kein Urteil über dich fällen. Er sieht das alles sehr gelassen. Früher hat er immer gern Urteile gefällt, aber da haben die Leute ihn getriezt, und seitdem macht er das nicht mehr. Das kannst du mir ruhig glauben; du hast nichts zu befürchten.«
Heute Abend war ich Fotozwerg f ür den ältesten Weihnachtsmann. Meistens steht ihr Name auf dem Wasserbecher, den sie auf dem Kaminsims hinter den Geschenken versteckt haben. Hin und wieder ruft ein Weihnachtsmann nach Wasser, und sein Zwerg hält dann den Becher, während sein Herr durch einen Strohhalm trinkt. Auf diesem Becher stand kein Name. Heute Abend hatten wir gut zu tun und keine Zeit, uns vorzustellen. Dies war ein überragender Weihnachtsmann, wild, aber warmherzig. Sobald eine Familie geht, fängt dieser Weihnachtsmann, der spürt, wie eine neue Familie sich vor seiner Schwelle zusammenknäult, an zu singen.
Er singt: »Ein schönes Mädchen... ist wie 'ne Melodie.«
Die Eltern und Kinder kommen rein, und wenn ein M ädchen dabei ist, sieht der Weihnachtsmann es kurz an, hält sich die dick behandschuhten Hände an die Brust und markiert einen massiven Herzinfarkt; er l ässt sich gegen das Kissen in seinem Rücken fallen und stöhnt vor lauter Entzücken und Schmerz. Dann erholt er sich langsam davon und sagt: »Zwerg, Zwerg... Bist du da?«
»Ja, Weihnachtsmann, ich bin da.«
»Zwerg, ich habe gerade geträumt, das schönste Mädchen der Welt stünde vor mir. Direkt hier vor mir, in meinem Haus.«
Dann sage ich: »Das war kein Traum, lieber Weihnachtsmann. Mach die Augen auf, mein Freund. Sie steht direkt vor dir.«
Der Weihnachtsmann reibt sich die Augen und sch üttelt den Kopf, als wäre er ein Gemeindepriester, dem gerade Jesus Christus erschienen ist. »Oh, himmlischer Tag«, sagt er, an das Kind gewandt. »Du bist das schönste Mädchen, das ich in sechshundertsiebzehn Jahren gesehen habe.«
Dann packt er sie sich auf den Scho ß und schmeichelt jedem Aspekt ihres Charakters. Das Kind deliriert. Der Weihnachtsmann wedelt in Richtung Mutter des Kindes und fragt: »Ist das da deine Schwester, die da in der Ecke steht?«
»Nein, das ist meine Mutter.«
Der Weihnachtsmann ruft die Frau n äher heran und fragt, ob sie eine gute Mutter gewesen ist. »Sagen Sie Ihrer Tochter, dass Sie sie lieben? Sagen Sie ihr das jeden Tag?«
Die M ütter werden immer rot und sagen: »Ich versuch's, lieber Weihnachtsmann.«
Der Weihnachtsmann sagt dem Kind, es soll der Mutter einen Kuss geben. Dann wendet er sich an den Vater und w ünscht sich auch von ihm, dass er dem Kind sagt, wie sehr er es liebt.
Zum Schluss der Visite sagt der Weihnachtsmann: »Vergesst es bitte nie, am wichtigsten ist, dass ihr immer versucht, die Menschen so sehr zu lieben, wie sie euch lieben.«
Die Eltern kriegen einen Klo ß im Hals, und oft weinen sie sogar. Sie ergreifen den Weihnachtsmann bei der Hand und, im Hinausgehen, mich auch noch. Sie sagen, die Warterei hat sich gelohnt. Die schwersten Fälle öffnen das Portemonnaie und stecken dem Weihnachtsmann ein paar Dollar zu. Wir sollen zwar kein Trinkgeld nehmen, aber die meisten Weihnachtsmänner nehmen das Geld, zwinkern und stopfen es sich in den Stiefel. Dieser Weihnachtsmann sah das Geld an, als wäre es ein vollgerotztes Kleenex. Er schloss die Augen und bereitete sich auf die nächste Familie vor.
Bei Jungens setzt dieser Weihnachtsmann aufs Hirn: Jeder einzelne ist der schlauste Junge der Welt.
Das Tolle an diesem Weihnachtsmann ist, dass er nicht einmal fragt, was die Kinder sich w ünschen. Meistens bindet er die Eltern so sehr ein, dass sie den Drang zur Dokumentation nicht mehr verspüren. Sie legen ihre Videorecorder hin und feiern mit ihm dies Festival der Liebe.
Heute Nachmittag war ich wieder Zeigezwerg, einer meiner Lieblingsjobs. Der Zeiger steht im Zauberbaum und teilt verf ügbare Weihnachtsmannzwerge
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