Holly greift nach den Sternen
Mund voller Zahnpasta. »Er hat dauernd auf meine Titten geglotzt.«
Lauras Brüste waren es durchaus wert, angeglotzt zu werden, obwohl Holly sich noch nicht getraut hatte, sie zu fragen, ob sie echt waren.
»Er ist ein Modelvernascher«, antwortete sie. »Er gehört zu den Typen, die bloß was mit Models haben.«
»Tja, ich bin eigentlich nicht mehr zu haben«, meinte Laura, als wären Typen, die nur was mit Models hatten, tolle Jungs. »Tom sieht sowieso fünfzigmal besser aus als der.«
Holly hatte ein paar Fotos von Lauras Freund Tom an ihrer Pinnwand gesehen, und obwohl er für einen Engländer ganz nett aussah, trennten ihn und Reed Welten.
»Wie hat das mit dir und Tom eigentlich angefangen?«, fragte Holly. Nicht nur weil es eine tolle Gesprächseröffnung war, sondern weil sie es wirklich gern wissen wollte. Sie hatte aber nicht jedes einzelne Wort, jede bedeutungslose Geste oder sehnsüchtigen Blick aus den letzten zwei Jahren hören wollen, seitdem Laura und Tom miteinander gingen. Als es endlich zum ersten Kuss kam, schmerzten Hollys Wangenmuskeln von der Anstrengung, aufmunternd zu lächeln.
»Und wie hast du gewusst, was du zu ihm sagen sollst?«
Laura wusch die Zahnbürste zum zehnten Mal aus. »Keine Ahnung«, sagte sie wenig hilfreich. »Hab ich einfach. Wir sind auf dieselbe Schule gegangen, wir kennen dieselben Leute und wir mögen dieselbe Musik. Wir haben unheimlich viel gemeinsam.«
»Aber woher habt ihr gewusst, dass ihr so viel gemeinsam habt?«
»Och, einfach so. Komm schon, Holly, du weißt doch, wie das ist, wenn man mit einem Jungen zusammen ist.« Laura steckte ihre Zahnbürste zurück in die Halterung und nahm ihr Handtuch. »Ich muss jetzt schlafen. Morgen ist mein großes Cover-Shooting.«
»Cool«, murmelte Holly vage und hatte ihre Schönheitspflege für den Moment vergessen. Sie stieg in die Wanne und betrachtete durch das milchige Wasser ihre rot lackierten Zehennägel.
Holly hatte ihren ersten Filmkuss mit neun bekommen, als sie in Hollys Haus ihren ersten Freund hatte. Meistens hatten sie Händchen gehalten und Fernsehabenteuer erlebt, die immer damit endeten, dass sie sich eine Packung Kekse und ein Glas Milch teilten. Und im dritten und letzten Teil von Little Girl Lost hatte sie einen richtigen festen Freund gehabt (Holly war immer noch total geplättet, dass dieser Film nie ins Kino, sondern nur als DVD herausgekommen war), aber für die Kussszenen war ein Double für sie eingesprungen, weil sie damals eine Zahnspange getragen hatte und der Agent des Jungen irgendwelche Verletzungen befürchtete.
Ihre Eltern hätten ihr niemals erlaubt, sich tatsächlich mit einem Jungen zu verabreden, denn das hätte nicht zu ihrem Image als Familienstar gepasst. Und während der zwei Jahre, in denen sie sich »erholte«, hatte Amber Holly kaum aus dem Haus gelassen, bis die Zahnspange herauskam, sie sich die Nase hatte korrigieren lassen und jede Spur von Babyspeck wegtrainiert war. Holly musste der Wahrheit ins Gesicht sehen: Sie war praktisch eine Nonne. Aber irgendwie eine ziemlich hübsche Nonne mit einem Kofferset von Louis Vuitton .
Es klopfte an der Tür, und bevor Holly antworten konnte, platzte Candy herein.
»Hey!«, quiekte Holly und schlang ihre Arme um jeden Zentimeter Fleisch, den sie bedecken konnte. »Ich hab nicht gesagt, dass du reinkommen kannst.«
»Lass Reed in Frieden«, fauchte Candy und ballte die Fäuste. »Der ist nicht zu haben und er gibt dir keine Rolle in seinem Film. Also lass ihn verdammt noch mal in Ruhe!«
»Aber ich hab doch gar nicht...«
»Du bist nicht sein Typ, Holly. Und wir beide kriegen ernsthafte Schwierigkeiten, wenn deine drei Gehirnzellen das nicht kapieren!«
Holly war immer noch total geschockt und Lichtjahre von einer passenden Antwort entfernt, als Candy schon wieder draußen war und die Tür hinter sich zuknallte.
Das nächste Mal würde sie Candy dezent darauf hinweisen, dass sie eine ausgebildete Kickboxerin war, die kleine vorlaute Mädchen mit einem einzigen Fußtritt in die nächste Stadt befördern konnte, wenn sie wollte. Holly stieg aus der Wanne und suchte unten an ihrem Rückgrat nach den Akupressurpunkten. Dazu machte sie Atemübungen, bis sie sich wieder beruhigt hatte.
Sie wusste nicht, was mehr wehtat. Dass Candy glaubte, sie sei auch nur das kleinste bisschen an ihrem hochnäsigen Bruder interessiert, oder dass Candy sie für dumm hielt. Jetzt wohnten sie schon vier Tage zusammen, da sollte Candy sie
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