Holly greift nach den Sternen
»Kannst du sie mir überschreiben? Nur dieses eine Mal. Ich sag meinem Anwalt, er soll dir ein Fax schicken...«
»Wie viel?«, fragte Holly mutig.
»Na ja, es sind echte Geizkrägen...«
»Wie viel und wie viele Staffeln wollen sie bringen?«
»Alle Staffeln, von Anfang an«, gestand Amber nach einer Pause. »Ich weiß nicht mehr die genauen Zahlen, aber...«
»Gut, wenn du sie hast, schick sie an Fierce und wir überlegen uns was. Zum Beispiel, dass du die Hälfte kriegst und sie gegen die Einnahmen der Zwillinge verrechnest«, sagte Holly schnell. »Es sei denn, die Steuerfahndung findet endlich die ausländischen Konten von Dad, die, ähm, irgendwie so spurlos verschwunden sind.«
»Du weißt genau, dass ich damit nichts zu tun hatte.« Prompt brach Amber in lautes Schluchzen aus. »Ich soll mich nicht aufregen! Hast du eine Vorstellung davon, wie hoch mein Blutdruck letzte Woche war? Lieber Gott, Holly, ich habe gehungert, damit du fürs Vorsprechen hübsche Kleider hattest. Ich habe meine Karriere für dich aufgegeben und du rückst nicht mal ein paar lumpige Dollar raus.«
Jetzt schrie Amber, jedes Wort war deutlich zu verstehen und sogar Candy wich in das weiche Lederpolster ihres Sitzes zurück.
»Besorg mir die Zahlen und wir werden uns irgendwie einigen, Mom«, wiederholte Holly. »Ich verspreche dir, du kriegst was von dem Geld ab.«
»Und ich brauch es nicht zurückzuzahlen?«, vergewisserte sich Amber rasch. »Wir sind schließlich eine Familie und müssen zusammenhalten, nicht wahr?«
»Klar«, stimmte Holly ihr leise zu. »Ich werde dafür sorgen, dass du genug bekommst, damit du deine Außenstände bezahlen kannst.«
»Und ich würde wirklich gern die Kaution für ein Apartment hinterlegen können.« Wenn Amber am Drücker war, wusste sie nie, wann es Zeit war aufzuhören. Holly spürte, wie sich jedes einzelne Haar auf ihrem Körper steil aufrichtete und erzitterte, während sie die aufsteigende Wut zu unterdrücken versuchte.
»Treib es nicht zu weit«, sagte sie leise und beendete das Gespräch.
Das einzig Gute an dem Anruf war, dass er Candy so geschockt hatte, dass sie zum ersten Mal seit Menschengedenken schwieg.
Bedauerlicherweise hielt das aber nicht lange an.
»Hast du eben geknurrt ?«, fragte Candy atemlos mit weit aufgerissenen Augen. »Ich hätte nie gedacht, dass du knurren kannst!«
»He - sie vergisst immer, dass ich mich mit elf von ihr scheiden ließ«, sagte Holly leichthin.
Candys Kiefer sackte so tief herab, dass ihre Unterlippe fast schon den Teppich berührte.
»Wegen dieser Sache mit Kinderarbeit und Jugendschutz in Kalifornien. Als gesetzlich erklärte Volljährige konnte ich länger arbeiten und brauchte keine Pausen oder Zeit für Hausaufgaben. Alle haben das so gemacht.«
»Ich wünschte, ich könnte mich von meiner Mutter scheiden lassen«, sagte Candy sehnsüchtig. »Sie ist ein solches Miststück.«
Im Fernsehen kam Bette Careless nicht als Miststück rüber - sie war... egozentrisch und melodramatisch, aber kein Miststück. Candy war das Miststück - sie zuckte jedes Mal zurück, wenn Bette ihr einen Kuss geben wollte.
»Du solltest nicht so über deine Eltern herziehen, besonders nicht vor anderen Leuten«, sagte Holly. »Das ist höchst würdelos.«
Und zum zweiten Mal in fünf Minuten verschlug es Candy die Sprache.
7
H olly fand sich lieber mit Tatsachen ab als mit verpassten Möglichkeiten. Besser, man bereute etwas, das man getan hatte, als etwas, das man nicht getan hatte. Das hatte ihr Yogalehrer immer gesagt. Aber ihr Yogalehrer musste auch nicht miterleben, wie George und Candy sich zum ersten Mal begegneten. Sonst hätte er den Buddhismus an den Nagel gehängt und sich eine eiserne Ration an Konservendosen für die unausweichliche Apokalypse angelegt.
»Oh mein Gott, Mädchen!«, kreischte George, als er Candy hinter der Samtabsperrung auftauchen sah. »Ich bete dich verdammt noch mal an, du dummes Gör mit den zauberhaften Flüchen!«
»Ich mag dich auch!« Candy schlang ihre Arme um Georges Hals, während die Kameras losblitzten. »Du bist das Witzigste an dieser lahmarschigen Sitcom.«
Holly tippte ungeduldig mit der Fußspitze auf den Boden und wartete darauf, dass Candy sich endlich von ihrem angeblichen Lover löste.
Schließlich blieb ihr nichts anderes übrig, als wie das fünfte Rad am Wagen hinter den beiden herzudackeln, als sie sich zum VIP-Bereich durchkämpften. Zu der erlittenen Kränkung kam nun noch die
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