Holt, Anne - Hanne Wilhelmsen 5
allein in einem großen
Eigenheim im Grevevei. Das war nicht schön für sie, das war ja klar. Und die
Vorstellung eines Umzugs hatte verlockend gewirkt, aber er hatte doch seinen
Hausmeisterposten. Und die Wohnung. Hier wohnte Klara noch in den
Wänden, es war seine und Klaras Wohnung. Hier wollte er bleiben, bis er mit
den Füßen zuerst hinausgetragen wurde.
Doch dann hatte jemand geklingelt. Am Karfreitag. Mehrmals.
Ole Monrad Karisen ärgerte sich schrecklich über diese Störung, schlurfte aber
dann widerwillig zur Tür.
»Wassn los?« fragte er schroff und legte ein Auge an den Türspalt.
Der Mann draußen war ziemlich groß, trug einen grauen Mantel und wohnte
auf jeden Fall nicht in der Vogts gate H-
»Schon wieder Polizei?« fragte Karisen wütend. »Ich hab nichts mehr über
Stäle zu sagen. Tot is tot. Kann ich auch nix dran ändern.«
»Ich bin nicht von der Polizei«, sagte der Mann. »Ich möchte nur ein paar
Fragen zu dem stellen, was heute nacht hier passiert ist.«
Karisen erstarrte und schob die Tür weiter zu, bis der Spalt nur noch fünf oder
sechs Zentimeter breit war.
»Was?« grunzte er.
»Ich bin so gegen zwei Uhr nachts nach Hause gegangen. Wohne gleich um die
Ecke, wissen Sie. War auf einem Fest oben in. . . darf ich nicht vielleicht
hereinkommen?«
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Der Fremde trat einen vorsichtigen Schritt auf die Tür zu. Ole Monrad Karisen
reagierte nicht.
»Also«, sagte der Mann und fuhr sich mit einem mageren Finger über die
Unterlippe. »Ich kam also hier am Haus vorbei. Und dann habe ich etwas
gesehen, das vielleicht. . . «
Er preßte die Handfläche gegen den Türrahmen und hielt sein Gesicht an
Karlsens.
»Es wäre wirklich viel besser, wenn ich hereinkommen könnte«, sagte er. »Auf
jeden Fall könnten Sie die Tür öffnen. Es ist nicht so angenehm, mit Ihnen zu
reden und Sie dabei nicht sehen zu können.«
Hausmeister Karisen wußte wirklich nicht, was er machen sollte. Vielleicht
hätte er in der vergangenen Nacht ja doch die Polizei rufen sollen. Und die
Götter mochten wissen, was dieser Kerl hier anrichten konnte, wenn er sich
nicht die Zeit nahm, mit ihm zu reden.
»Moment«, sagte er und schloß die Tür, um die Metallkette abzunehmen.
Dann machte er sie wieder auf, diesmal weiter, ließ die Klinke aber nicht los.
»Das ist schon besser«, sagte der Mann erleichtert.
Er erinnerte Karisen an irgend jemanden. Er glaubte, ihn schon einmal
gesehen zu haben. Und wenn er wirklich in der Nachbarschaft wohnte, dann
war das ja durchaus möglich.
»Ein Mann schien die Haustür aufbrechen zu wollen«, sagte der Fremde und
zeigte ins Treppenhaus. »Ich habe sofort die Polizei angerufen. Aber ich hatte
keine Zeit zu warten. Und ich belästige Sie jetzt, weil ich wissen möchte, ob sie gekommen ist. Die Polizei, meine ich. War sie da?«
Karisen ließ unwillkürlich die Tür los und strich sich über die wehe Schulter.
Er hätte die Polizei selbst anrufen sollen. Der Einbruch letzte Nacht im Keller
hatte ihn überrascht. Karisen war von Geräuschen geweckt worden, die in die
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sem Haus nichts zu suchen hatten. Mit einem Schürhaken in der Hand hatte
er sich der Kellertür genähert, die leise hin und her schlug. Der Mann war
aufgetaucht, ehe Karisen sich gefaßt hatte, er war davongestürzt, als sei der
Teufel ihm persönlich auf den Fersen. Er hatte Karisen angerempelt und ihn
fast umgeworfen. Als der Bandit verschwunden war und im Keller nichts zu
fehlen schien, hatte Hausmeister Karisen es nicht der Mühe wert befunden,
sich an die Polizei zu wenden.
»Mit der Obrigkeit gibt's doch nur Ärger«, murmelte er und schlug die Augen
nieder.
»Sie sind also gekommen?« Der Mann schien da seine Zweifel zu haben.
»Nein.«
»Aber es hat doch einen Einbruch gegeben? Hatte ich recht?«
»Nur im Keller. Nicht der Rede wert. Ich hab ihn selbst verjagt. Wer sind Sie
übrigens?«
Der Mann wich langsam zurück.
»Dann bedaure ich die Störung. Schöne Ostern!«
Er tippte sich zum Gruß an die Schläfe und kehrte Karisen den Rücken zu.
Sekunden später war er verschwunden. Karisen verschloß seine Tür mit zwei
Schlössern und Sicherheitskette und kehrte zu seiner Zeitung zurück. Wieder
überlegte er sich, daß er diesen seltsamen Menschen schon einmal gesehen
hatte. Er wußte nur nicht mehr, wo. Dann verdrängte er diese Überlegung und
seufzte tief.
Er hätte die Einladung seiner Schwester, sie über Ostern zu besuchen,
annehmen
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