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Holt, Anne - Hanne Wilhelmsen 5

Holt, Anne - Hanne Wilhelmsen 5

Titel: Holt, Anne - Hanne Wilhelmsen 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred
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den
    Motorradführerschein gemacht?«
    »Sicher. Vor vier Wochen. Und dann habe ich das hier letzte Woche gekauft.«
    Er lächelte breit unter seinem Ferienbart. Seine Oberlippe war von
    Tabakflocken besetzt, und jetzt tropfte ihm schwarzer Tabaksaft von den
    Vorderzähnen.
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    »Daß du dich traust«, sagte Hanne zerstreut.
    Häkon nahm Hans Wilhelm den Helm ab, hob den Jungen vom Sitz und gab
    ihm einen Klaps auf den Hintern.
    »Geh zu Mama und sag ihr von mir, daß du dir eine Cola nehmen darfst.«
    Der Junge rannte aus der Garage.
    »Ich mußte das einfach«, sagte Häkon langsam. »Du kannst es gern einen
    Bubentick nennen. Oder Midlife-crisis, wenn du willst. Nenn es wie du willst,
    aber es lag wirklich daran, daß ich mich nicht getraut habe. Und das wollte ich.
    Mich trauen. Anfangs war es wichtig, den Führerschein zu machen. Dann war
    es wichtig, die Maschine zu kaufen.«
    Hanne schwang ein Bein über das Motorrad und setzte sich rittlings darauf.
    »Das ist sicher verdammt leicht zu fahren«, sagte sie trocken und wiegte sich
    ein wenig hin und her. »Niedriger Schwerpunkt und kindliche Sitzhaltung.«
    »Dann probier es doch mal aus.«
    Häkon fühlte sich mißverstanden. Und vielleicht verletzt. Er wollte gehen. Er
    hatte sich so darauf gefreut. Er hatte sich das Motorrad vor allem der anderen
    wegen angeschafft. Die sollten ihn bewundern. Hans Wilhelm zuliebe wollte er
    etwas haben, mit dem er prahlen konnte. Karen sollte den Kopf schütteln, die
    Augen verdrehen und ihn als Machomann bezeichnen. Die Kollegen sollten
    ihm hinterherstarren, wenn er in Lederkombi und rotem Helm nach Hause
    sauste. Und Hanne sollte beeindruckt sein. Ganz zu Anfang, vor den ersten
    unsicheren Runden um den Parkplatz beim Munch-Museum, hatte er sich
    eingebildet, es auch für sich selbst zu tun. Aber er hatte Angst. Er hatte
    jedesmal, wenn er sich auf das erschreckende, tosende Monstrum setzte, eine
    Heidenangst. Nie hatte er die volle Kontrolle, und jede Fahrt war ein
    schweißtreibender Kampf, nach dem er eine halbe Stunde brauchte, um
    wieder zu Kräften zu
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    kommen. Häkon Sand hatte Zeit gebraucht, um es sich einzugestehen, und er
    glaubte, er werde es anderen gegenüber niemals zugeben: er hatte über
    hunderttausend Kronen vergeudet, um Eindruck zu schinden. Aber Hanne
    gefiel das Motorrad nicht. Häkon hatte sich seit einer Woche auf diesen
    Moment gefreut, und dann gefiel ihr sein Motorrad nicht.
    »Für eine japanische Maschine gar nicht schlecht«, sagte sie versöhnlich.
    »Und sehr gut für einen, der sie nicht reparieren kann. Sicher und gut und
    leicht zu fahren.«
    »Mach doch eine Probefahrt«, drängte er. »Hier. Du kannst meine Kluft
    leihen. Hast du dein eigenes schon frühlingsfit gemacht?«
    Zögernd nahm sie die Lederkombi, hielt sie sich an und schüttelte den Kopf.
    »Die ist zu groß für mich«, sagte sie. »Und nein. Die Harley steht im Lager.
    Wartet auf einen neuen Auspuff. Außerdem habe ich keine Minute frei gehabt.
    Und drittens . . . «
    Die Kombi noch immer am Leib, starrte sie an sich herunter.
    »Drittens will ich sie verkaufen.«
    »Verkaufen? Warum denn? Das ganze Sommerhalbjahr bist du auf der Harley
    doch wie festgewachsen.«
    »Eben«, sagte sie kurz. »Zeit, erwachsen zu werden.«
    Häkon spuckte Tabak auf den Betonboden, und sie fügte eilig hinzu: »Das soll
    nicht heißen, daß ich dich für kindisch halte. Um ehrlich zu sein, finde ich es
    beeindruckend, daß du es geschafft hast. Ich weiß doch noch, was du für einen
    Schiß hattest, als. . . «
    Sie lachte laut und streifte ihre Turnschuhe ab.
    »Du bist vor Angst doch fast in Ohnmacht gefallen, als wir die Mühle geklaut
    haben, um damals rechtzeitig hier zu sein. Aber dann bist du als Ausgleich in
    eine lichterloh bren
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    nende Hütte gestürzt, um Karen zu retten. Du bist dann mutig, wenn es darauf
    ankommt, Häkon. Du bist nicht wie andere Männer. Du bist keiner, der protzt.
    Du bist lieb und treu und klug. Karen hat keine Ahnung, was sie für ein Glück
    hat.«
    Langsam strich sie über seine Bartstoppeln. Ihre Hand legte sich an seine
    Wange, und sie stellte sich auf Zehenspitzen und streifte seine Stirn mit den
    Lippen.
    »Das meine ich wirklich«, sagte sie und starrte ihm einige Sekunden lang in
    die Augen, dann stieg sie in den viel zu weiten Anzug. »Ich habe dir nie dafür
    gedankt, daß du an dem Abend gekommen bist. Und am folgenden Sonntag.
    Und ich werd es wohl auch nicht tun. Du bist lieb, Häkon.

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