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Holt, Anne - Hanne Wilhelmsen 5

Holt, Anne - Hanne Wilhelmsen 5

Titel: Holt, Anne - Hanne Wilhelmsen 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred
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des zwei Jahre alten Evald und alte Postkarten.
    Es gab chinesische Banknoten, und er hätte gern gewußt, woher sie die hatte.
    Ein breiter goldener Ehering mit unleserlicher Gravur hing an einem altmodi-
    schen Schlüssel mit einem roten Seidenband. Evald blätterte rasch in einem
    alten Postsparbuch voller Wertmarken, die belegten, daß Evalds Mutter jeden
    Freitag zehn Kronen eingezahlt hatte. In Evalds Namen. Von dem Geld hatte
    er nie etwas zu sehen bekommen. Sicher hatte sie gemeint, er brauche es nicht.
    Uber eine Stunde lang durchsuchte Evald Bromo' das Leben seiner Mutter.
    Dann zog er die moderne CD aus der Jacke, die er an den Nagel neben der Tür
    gehängt hatte. Er legte die CD ganz unten in die Truhe und häufte dann die
    Habseligkeiten seiner Mutter darüber; schichtweise, so, wie er sie vorgefunden
    hatte. Dann schloß er die große Kiste ab.
    Als er den Schlüssel wieder unter die Silberlöffel in der kleinsten
    Büfettschublade legen wollte, zögerte er. Vielleicht sollte er ihn mitnehmen.
    Dann schüttelte er rasch den Kopf, öffnete die größte Schublade und verstaute
    den Schlüssel zwischen den sittsamen, weiten Unterhosen seiner
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    Mutter. Die wurden ja doch nie benutzt. Das Pflegeheim hatte eigene,
    kochfeste Unterwäsche.
    Evald Bromo küßte seiner Mutter zum Abschied die Hand, und dabei ging ihm
    plötzlich auf, daß sie die einzige war, die er je geliebt hatte.
    I I
    Lars Erik Larsson hatte seine Zweifel. Er verpaßte seiner kleinen Kate in
    Osthammar gerade die letzten Pinselstriche und ärgerte sich darüber, daß die
    Farbe wohl nicht ausreichen würde. Er hatte zu Ostern alles fertighaben
    wollen. Denn dann begann die Sommersaison, und er verbrachte jedes
    Osterfest hier in der Einsamkeit, um Haus und Garten nach dem Winter
    wieder herzustellen. Und er hatte seine Zweifel.
    Seit er über diesen norwegischen Staatsanwalt gelesen und den Namen von
    einer Einzahlung in seiner Bank her wiedererkannt hatte, hatte er jeden Tag
    die Zeitungen durchgekämmt. Als die Zeit verging und keine weiteren
    Meldungen kamen, hatte er sich beruhigt. Doch dann hatte der Expressen am vergangenen Wochenende eine neue Schlagzeile gebracht. »Norwegischer
    Polizeiskandal« hatte sie gelautet. Der Mann war offenbar wieder auf freien
    Fuß gesetzt worden. Er stand zwar noch immer unter Verdacht, aber bis auf
    weiteres war er ein freier Mann.
    Er sollte es vielleicht jemandem sagen.
    Zumindest seinem Chef.
    Er hatte keine große Lust, mit der Polizei zu reden. Aber wenn er zum Chef
    ging, würde es ja doch eine Höllenaufregung geben.
    Er schüttelte den großen Farbeimer und fluchte leise, weil
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    die Südwand nicht fertigwerden würde. Andererseits hatte er auch so genug zu
    tun. Das Rosenbeet, zum Beispiel, war vom Winter und den Rehen übel
    zugerichtet worden. Er wußte wirklich nicht, was er tun sollte.
    12
    Hanne Wilhelmsen gab es ungern zu, aber Häkons Motorrad gefiel ihr. Es fuhr
    sich anders als die Harley, leichter und feinfühliger. Es war angenehm, leicht
    vorgebeugt zu sitzen, und die kurze Gabel machte das Kurven viel witziger.
    Sie hatte schon die Innenstadt von Sandefjord hinter sich gebracht und fuhr
    auf dem Riksvei 303 nach Osten. Als sie am Gokstadhaug vorbeikam, spielte
    sie kurz mit dem Gedanken, anzuhalten. Sie drosselte das Tempo, aber die
    lange gerade Strecke wirkte zu verlockend. Die Maschine beschleunigte heftig
    und bäumte sich dann auf. Nach zwanzig Metern auf dem Hinterrad ließ sie
    das Vorderrad auf den Asphalt knallen. In diesem Straßenbereich waren nur
    sechzig Stundenkilometer erlaubt, und sie war bei mindestens neunzig
    gewesen.
    Das Schild, das hinter der nächsten Kurve nach rechts zeigte, erinnerte sie an
    einen Sommer vor fast dreißig Jahren. Ihre Eltern hatten die zwölfjährige
    Hanne beinahe unter Zwang bei einer christlichen Jugendorganisation an-
    gemeldet. Jammern und Klagen waren vergeblich gewesen; einen ganzen
    Winter lang hatte sie sich zu Treffen und Wandertouren schleppen müssen,
    mit Mädchen, die sie nicht ausstehen konnte und die zu einem Gott beteten, zu
    dem sie kein Verhältnis hatte. Sie hatte nie begriffen, warum ihre Eltern, die
    sich sonst nicht weiter für das Tun und Lassen ihres Nachzüglers
    interessierten, das so wichtig gefunden
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    hatten. Die Mutter hatte besorgt das Gesicht in Falten gelegt und etwas über
    soziales Training gesagt, aber Hanne hatte schon damals den Verdacht gehabt,
    daß sie durch diese Maßnahme ganz

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