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Holt, Anne - Hanne Wilhelmsen 5

Holt, Anne - Hanne Wilhelmsen 5

Titel: Holt, Anne - Hanne Wilhelmsen 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred
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sei zu spät.
    Zugleich wußte er, daß ihm noch etwas blieb. Er war für den Rest seines
    Lebens zerstört, gut, aber noch immer gab es in ihm etwas, das wert war,
    bewahrt zu werden. Wenn sich nur jemand um ihn kümmerte.
    Er mußte seine Ohren opfern, um Hilfe zu bekommen.
    Jetzt, mit siebenundzwanzig Jahren, hatte er nicht das Gefühl, daß das Opfer
    zu groß gewesen war. Natürlich wollte seine Brille nicht sitzen, er mußte sich
    Modelle kaufen, deren Bügel den Kopf geradezu einklemmten. Außerdem
    musterten die Leute ihn mit seltsamen Blicken. Aber vielen begegnete er ja
    nicht. Im Sommer wimmelte es in der Umgebung seiner Hütte nur so von
    Menschen, doch die festen Feriengäste hatten sich an den ohrenlosen jungen
    Mann gewöhnt, der immer lächelte und selten etwas sagte. Sie re
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    spektierten seine Grenzen; die um sein vier Dekar großes Grundstück und die
    um ihn selbst. Tage wie diesen mochte er.
    Es war Samstag, der 6. März. Der Regen färbte den Vormittag grau, der Wind
    malte weiße Schaumkronen auf den Fjord. Eivind Torsvik war nachts bis vier
    Uhr aufgewesen, fühlte sich aber trotzdem munter und voller Tatendrang. Er
    würde seinen vierten Roman bald beenden können.
    Was gut war. Beim Endspurt, also immer ungefähr um diese Jahreszeit, fühlte
    er sich im Schreiben ganz und gar gefangen. Seiner eigentlichen
    Lebensaufgabe konnte er nicht viel Zeit widmen. Seine hochmoderne
    Computeranlage — die eine Hälfte seines Wohnzimmers dominierte und sie
    wirken ließ wie ein abgesperrtes Industrielokal — wurde zum schnöden
    Textverarbeitungsgerät reduziert.
    Eivind Torsvik stapfte barfuß über die Felsen. Die Steine waren unter seinen
    Füßen kalt und uneben, und er fühlte sich stark. Das Salzwasser brachte seine
    Haut zum Brennen, als er ins Wasser sprang. Es konnte kaum mehr als sieben
    oder acht Grad haben. Nach Luft schnappend legte er zehn Meter zwischen
    sich und das Ufer, dann machte er kehrt und schwamm mit blitzschnellen
    Zügen und dem Gesicht unter Wasser zurück.
    Zeit zum Frühstücken.
    Und danach wollte er das Buch dann wirklich zu Ende bringen.
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    »Warum passiert das hier immer wieder?«
    Hanne Wilhelmsen knallte Dagbladet und VG auf die Tischplatte. Erik Henriksen verschluckte sich und ließ
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    einen Regen aus halbzerkauten Brotkrümeln über die Zeitungen rieseln.
    »Was denn?« fragte der Polizeibeamte Karl Sommaroy und trank einen
    großen Schluck aus einem Halbliterglas voll Milch.
    »Warum weiß die Presse mehr als wir? Warum hat niemand angerufen und
    mich geweckt?«
    Niemand fühlte sich zu einer Antwort berufen. Hanne Wilhelmsen setzte sich
    in dem spartanisch möblierten Zimmer in einen Sessel am Tischende und
    begann, mit immer wütenderen Bewegungen in VG zu blättern.
    »Du hast einen Schnurrbart«, sagte sie plötzlich und sah Sommaroy an,
    während sie einen Strich auf ihre eigene Oberlippe zeichnete. »Stimmt es, daß
    Halvorsrud eine Vorstrafe wegen Gewaltanwendung hat?«
    »Die ist fast genau dreißig Jahre alt«, sagte Karl Sommaroy steif und wischte
    sich den Mund ab. »Mit sechzehn Jahren wurde er zu fünfzig Kronen Strafe
    verknackt, weil er auf einem Fest einem Kumpel eine reingesemmelt hat. Ein
    dummer, betrunkener Sechzehnjähriger, Hanne. Das hat nicht einmal seine
    Anwaltszulassung verhindert. Oder seine Karriere bei den Anklagebehörden.
    Die Episode ist aus allen Archiven schon längst gelöscht worden. Ich glaube
    nicht, daß sie für unseren Fall etwas zu bedeuten hat.«
    »Das möchte bitte ich entscheiden«, sagte Hanne übellaunig. »Ich habe es
    satt, über meine Fälle in der Zeitung zu lesen. Woher wissen diese Leute das
    überhaupt alles?«
    Sie zog eine Grimasse, ließ die Zeitung fallen und streckte die Hand nach dem
    Tablett mit den Kaffeetassen aus, das mitten auf dem ovalen Tisch stand.
    »Tips«, sagte Erik Henriksen, der jetzt wieder zu Atem gekommen war.
    »Wenn Hoffnung auf zehntausend steuerfreie Kronen besteht, dann gibt es
    absolut keine Grenze dafür, was der Durchschnittsnorweger zu verkaufen
    bereit ist.«

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    »Ich weiß jetzt mehr über diese Disketten«, sagte Karianne Holbeck lächelnd.
    Hanne hatte ihre Anwesenheit bisher nicht einmal registriert.
    »Die aus dem Medizinschränkchen?« Karianne Holbeck nickte. »Und was
    weißt du?«
    Hanne setzte sich gerade hin und zog ihren Stuhl an den Tisch.
    »Sie enthalten Informationen über vier verschiedene Fälle.
    Wirtschaftskriminalität. Ziemlich dicke Kisten,

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