Holt, Anne - Hanne Wilhelmsen 5
an alles, was im Net lag. Nur einige Mausklicks entfernt. Die
Spannung in seinem Leib ließ seine Knie gegeneinander schlagen, unbewußt
und immer härter, bis der Schmerz ihn zum Stillhalten zwang.
Evald Bromo wußte, was Spannung bedeutet.
Er wußte, daß er zu tun hatte, aber er wollte nicht. Diesmal nicht. Zwei E-
Mails waren in sein Leben eingebrochen
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und hatten das Arbeiten unmöglich gemacht. Eine Tour im Net konnte
vielleicht helfen. Zumindest für eine kleine Weile.
Er konnte nicht.
Elektronische Spuren blieben immer gespeichert.
Evald Bromo beschloß, nach Hause zu laufen. Vielleicht würde er den ganzen
Abend weiterjoggen. Er erhob sich, streifte Jacke, Hemd und Hose ab und zog
seinen schwarzgelben Trainingsanzug an. Als er sich die Turnschuhe zuband,
merkte er, daß er bereits schwitzte. Seine Hände waren feucht, und er nahm
seinen strengen Geruch wahr, als er zur Tür lief.
Er vergaß, dem Schlußredakteur zu sagen, daß sein Artikel noch nicht fertig
war. Als es ihm einfiel — fünf Kilometer Sprintjogging später —, blieb er für
einen Moment stehen, dann investierte er alle Kraft ins Weiterlaufen.
Evald Bromo brachte es nicht einmal über sich, zu telefonieren.
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Die scharfe Luft biß sie in die Wangen, und Hanne Wilhelmsen blieb stehen.
Sie legte den Kopf in den Nacken, schloß die Augen und spürte, wie die
Feuchtigkeit aus dem Boden wie eine kühle Liebkosung durch ihre dünnen
Schuhsohlen drang und sich um ihre Waden legte. Sie holte tief durch die
Nase Luft und merkte, daß sie zum ersten Mal seit langer Zeit keine Lust auf
eine Zigarette hatte. Die Bäume standen wintergrau und pessimistisch am
Waldweg, doch hier und dort lugte schon ein Huflattich aus dem verfaulenden
Laub hervor. Hanne fröstelte und fühlte sich wohl.
So
»Gute Idee«, sagte sie und hakte sich bei Billy T. unter. »Ich mußte da wirklich mal für einen Moment raus.«
Billy T. hatte ihr von dem Verhör erzählt. Von Halvorsruds standhafter
Geschichte über Stäle Salvesen. Von der Tatsache, daß er dem Staatsanwalt
widerwillig glaubte. Daß der Fall, der ihn anfangs nur angewidert hatte, ihn
inzwischen faszinierte.
»Falls Halvorsrud die Wahrheit sagt«, überlegte er, »sehe ich nur zwei
Möglichkeiten. Entweder irrt er sich. Er glaubt, der Mörder sei Salvesen
gewesen, aber in Wirklichkeit war es ein anderer. Einer, der Ähnlichkeit mit
Salvesen hat.«
Hanne rümpfte die Nase.
»Find' ich auch«, sage Billy T. sofort. »Klingt unwahrscheinlich. Vor allem, wo
der Mörder so lange da war und Halvorsrud darauf besteht, daß er es war. Die
Alternative wäre natürlich, daß Halvorsrud gar nicht tot ist.«
»Wäre möglich«, sagte Hanne zustimmend. »Er arrangiert am Montag einen
Selbstmord, versteckt sich, um am Donnerstag zuzuschlagen, und setzt sich
danach in einen anderen Erdteil ab.«
Sie wechselten einen zweifelnden Blick.
»Ich habe sowas schon mal gelesen«, sagte Billy zögernd. »Und im Film
gesehen und so, meine ich. Aber um ehrlich zu sein, von so einem Fall habe ich
in Wirklichkeit noch nie gehört.«
»Was nicht bedeutet, daß es nicht passieren kann«, sagte Hanne. »Er kann
solche Filme doch auch gesehen haben.«
Sie bogen vom Waldweg ab und folgten einem Pfad, der nach nur wenigen
Metern bei einem Rastplatz am Skarselv endete. Das Wasser floß schwer und
regenschwanger zum Maridalsvannet weiter; eine Wolke aus rauher
Feuchtigkeit hing über dem Flußufer. Ohne den Winterschmutz von der
verwitterten Holzbank zu wischen, setzten Hanne und Billy T. sich und
schauten aufs Wasser hinaus.
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»Aus diesem Duft sollte Parfüm gemacht werden«, sagte Hanne, lächelte und
schnupperte in der Luft herum. »Wir müßten ein Motiv finden. Vielleicht.«
»Vielleicht«, wiederholte Billy T. »Wenn wir uns mal, einfach nur so, für einen
Moment vorstellen, daß Halvorsrud die Wahrheit sagt. Und recht hat. Warum
zum Teufel sollte Salvesen die Frau eines Staatsanwalts umbringen? Die kann-
ten sich doch überhaupt nicht.«
»Nein. Aber Stäle Salvesen war nach den Ermittlungen, von denen du erzählt
hast, doch mehr oder weniger ruiniert. Nach dem, was zu Anfang der
neunziger Jahre passiert ist. Unter Halvorsruds Leitung.«
»Das schon«, sagte Billy T. und wandte sich Hanne halbwegs zu. »Offenbar
hat Salvesens Leben eine dramatische Wendung genommen, als die
Wirtschaftskripo ihm drauf-kam. Das schon. Aber warum jetzt? Wenn der Typ
dermaßen von Haß auf
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