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Holt, Anne - Hanne Wilhelmsen 5

Holt, Anne - Hanne Wilhelmsen 5

Titel: Holt, Anne - Hanne Wilhelmsen 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred
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Langsam, aber sicher. Jetzt sah
    er jeden Tag Anzeichen dafür, daß seine Angestellten ihn nicht nur
    respektierten, sondern ihn auch als Mensch und Vorgesetzten zu schätzen
    wußten. Dafür dankte der Polizeipräsident Gott jeden Abend vor dem
    Einschlafen.
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    Sein Posten war befriedigender, als er sich hätte träumen lassen. Er mochte
    diese Arbeit. Er liebte den Kontakt zur Öffentlichkeit. Hans Christian Mykland
    beherrschte sein Metier und wollte durchaus nicht aufhören. Dennoch blieben
    ihm nur knappe zehn Monate. Ein Versprechen war ein Versprechen, und
    wenn er noch so sehr dazu gedrängt worden war.
    Wenn Hanne Wilhelmsen gewußt hätte, wie der Morgen des
    Polizeipräsidenten ausgesehen hatte, dann hätte sie möglicherweise
    Verständnis für dessen schlechte Laune gehabt. Sie konnte nicht verstehen,
    was die verdrossene Miene und die kurzen, gekläfften Antworten verursachte.
    »Warum in aller Welt ist dieser Fall nicht schon am Freitag behandelt
    worden?«
    Polizeipräsident Mykland kratzte sich irritiert an den blauschwarzen
    Bartstoppeln und starrte die Hauptkommis-sarin an.
    »Wir hatten einfach nicht mehr die Möglichkeit, alle notwendigen
    Unterlagen...«
    »Und was war mit Samstag? Sonst schicken wir samstags doch ganze
    Heerscharen in U-Haft, wenn es nötig sein sollte.«
    Der Polizeipräsident schüttelte den Kopf und lächelte plötzlich.
    »Tut mir leid, Hanne«, sagte er dann in einem ganz anderen Tonfall. »Ich
    hatte einen miesen Morgen. Meine Familie findet es überhaupt nicht toll,
    wenn ich sonntags arbeite. Aber ich...«
    Er kratzte sich im Nacken und zupfte danach diskret am steifen Kragen seines
    Uniformhemdes.
    »Dreieinhalb Tage ohne richterlichen Beschluß...«
    Er ließ diesen Satz in der Luft hängen. Hanne Wilhelmsen wußte nur zu gut,
    daß der Polizeijurist, der am folgenden Morgen vor dem Untersuchungsrichter
    erscheinen
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    mußte, mit grobem Geschütz zu rechnen hatte. Das Gericht mußte seinen
    Segen dazu geben, wenn Sigurd Halvorsrud länger hinter Schloß und Riegel
    bleiben sollte. Das hätte innerhalb von vierundzwanzig Stunden nach seiner
    Festnahme geschehen müssen. Daß schon zuviel Zeit vergangen war, war das
    eine. Schlimmer noch war, daß die Unterlagen unmißverständlich klarstellen
    würden, daß Oberstaatsanwalt Halvorsrud bereits am Freitag zwei Wochen
    Untersuchungshaft akzeptiert hatte. Also hätte die Polizei den Fall sofort
    weiterreichen können.
    Aber Hanne Wilhelmsen hatte auf mehr als nur zwei Wochen gehofft. Sie fand
    es schrecklich, unter solchem Zeitdruck arbeiten zu müssen. In der Regel
    führte das nur zu unnötigem Streß für alle Beteiligten. Die Leute schlampten.
    Darunter litten die Ermittlungen. Obwohl Hanne Wilhelmsen bis zu einem
    gewissen Grad das ewige Gequengel der Verteidiger verstehen konnte, der
    Polizei müßten kurze Fristen auferlegt werden, um die Effektivität zu steigern
    und die Dauer der Untersuchungshaft zu verringern, fühlte sie sich nie davon
    getroffen. Wenn sie eine Ermittlung leitete, dann sorgte sie dafür, daß die
    Untersuchungshaft so genutzt wurde, wie es sich gehörte.
    »Wir müssen die Kritik einfach hinnehmen«, sagte sie. »Laufenlassen werden
    sie ihn auf keinen Fall. Wir haben mehr als genug.«
    Der Polizeipräsident legte den Kopf schräg und starrte sie an. Er runzelte die
    Stirn, griff nach einem Brieföffner aus Zinn und spielte an dem kalten Metall
    herum.
    »Wenn ich dich besser kennen würde, würde ich dich zum Essen einladen«,
    sagte er so unerwartet, daß Hanne Wilhelmsen nicht so recht wußte, wohin sie
    blicken sollte. »Aber ich sollte das wohl lassen. Was meinst du?«
    »Was ich meine? Hmmmm... könnte nett sein.«
    Der Polizeipräsident lachte.
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    »Ich rede jetzt nicht vom Essen. Sondern vom Fall. Was meinst du? War er
    es?«
    Hanne spürte ein Prickeln hinter einer Schläfe. Sie wollte nicht zeigen, daß sie vor Verlegenheit schneller atmete, und deshalb setzte sie zu der Erklärung an,
    die sie hier ja eigentlich hatte abgeben wollen.
    »Wir haben elf Leute angesetzt. Und die Technik, natürlich. Bisher haben die
    Aussagen von Nachbarn und anderen nicht weitergeführt. Alle sind schockiert
    und entrüstet und überhaupt. Niemand hat irgendeine Ahnung, wem Frau
    Halvorsruds Tod etwas nützen könnte. Niemand hat etwas gesehen, niemand
    hat etwas gehört. Insgesamt haben wir sechsundzwanzig Vernehmungen
    durchgezogen, darunter eine ziemlich kurze mit Halvorsruds älterem

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