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Holt, Anne - Hanne Wilhelmsen 5

Holt, Anne - Hanne Wilhelmsen 5

Titel: Holt, Anne - Hanne Wilhelmsen 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred
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kennen?«
    »Nein.«
    Endlich schaute der Staatsanwalt wieder auf. Er fing Hannes Blick ein, und es
    entwickelte sich ein stummer Wettstreit, den Hanne nicht begriff. Sie konnte
    den Ausdruck in seinen Augen nicht deuten. Sie war von den auffälligen Än-
    derungen im Verhalten des Staatsanwalts verwirrt. Im einen Moment war er
    weit weg. Im nächsten war er sein bekanntes, arrogantes Ich.
    »Ich kenne ihn überhaupt nicht«, sagte Sigurd Halvorsrud mit bemerkenswert
    fester Stimme.
    Dann stand er auf und ließ sich von Hanne in den ersten Stock begleiten, um
    eine kleine Tasche zu packen.
    Das Schlafzimmer war groß, eine Doppeltür führte auf einen Balkon. Hanne
    streckte mechanisch ihre Hand nach dem Lichtschalter neben der Tür aus. Zu
    ihrer Überraschung leuchteten sechs kleine Strahler unter der Decke auf.
    Sigurd Halvorsrud schien die seltsame Tatsache, daß das Licht im ersten Stock
    der Villa funktionierte, nicht weiter
    [8
    zu bemerken. Er hatte zwei Schubladen einer grünen Kommode geöffnet. Jetzt
    beugte er sich darüber und schien ziellos zwischen Unterhosen und Hemden
    herumzuwühlen.
    Mitten im Raum thronte ein gigantisches Himmelbett. Das Fußende war reich
    mit Schnitzereien verziert, und auch an Blattgold war nicht gespart worden.
    Ein wahres Meer von Kissen und Decken gab dem Zimmer etwas Verwun-
    schenes, das durch drei Ölgemälde an der hinteren Wand mit Motiven aus
    norwegischen Märchen noch verstärkt wurde.
    »Kann ich helfen?« fragte Hanne Wilhelmsen.
    Der Staatsanwalt suchte nicht mehr nach etwas, das er nicht finden konnte. Er
    legte die Hand auf ein Foto in einem Silberrahmen, das zusammen mit fünf
    oder sechs anderen Familienbildern auf der grünlasierten Kommode stand.
    Sie ging durch das Zimmer und blieb zwei Schritte vor Halvorsrud stehen. Das
    Bild zeigte seine Frau, wie Hanne erwartet hatte. Sie saß auf einem
    Pferderücken, zwischen ihr und dem Sattelknauf saß rittlings ein kleines Kind.
    Das Kind sah ängstlich aus und klammerte sich an den Arm der Mutter, der
    beschützend quer über Schulter und Bauch des Kindes lag. Die Frau lächelte.
    Im Gegensatz zu dem nichtssagenden Bild, das Hanne Wilhelmsen von dem
    blaßrosa Führerschein her angestarrt hatte, zeigte dieses Foto, daß Doris Flo
    Halvorsrud eine attraktive Frau gewesen war. Ihr Gesicht war fröhlich und
    offen, und die kräftige Nase und die breite Kinnpartie zeugten eher von
    anziehender Stärke als von mangelnder Weiblichkeit.
    Sigurd Halvorsrud hielt das Bild in der rechten Hand. Er preßte den Daumen
    auf das Glas im ziselierten Rahmen. Der Finger wurde weiß, plötzlich
    zersprang das Glas mit leisem Knallen. Halvorsrud reagierte nicht, nicht
    einmal, als das Blut aus einem tiefen Schnitt im Daumen quoll.
    i y
    »Ich kenne den Mann, der meine Frau umgebracht hat, nicht«, sagte er. »Aber
    ich weiß, wer er ist. Ich kann Ihnen seinen Namen nennen.«
    Die Frau und das Kind auf dem Foto waren jetzt fast verschwunden zwischen
    Glasscherben und dunklem Blut. Hanne Wilhelmsen griff nach dem Bild und
    nahm es dem Mann aus der Hand. Behutsam legte sie es dann auf die
    Kommode, neben eine Haarbürste aus Silber.
    »Gehen wir, Halvorsrud.«
    Der Oberstaatsanwalt zuckte mit den Schultern und setzte sich in Bewegung.
    Rote Tropfen fielen aus seinem zerschnittenen Daumen.
    3
    Der Journalist Evald Bromo hatte sich bei Aftenposten immer wohlgefühlt. Es war eine gute Zeitung. Oder jedenfalls ein guter Arbeitsplatz. Die übelste
    Hurerei der Boulevardpresse blieb ihm erspart, und er wurde gut bezahlt. Ab
    und zu hatte er sogar Zeit, sich in ein Thema zu vertiefen, gründlich zu sein.
    Evald Bromo arbeitete seit elf Jahren in der Wirtschaftsredaktion der Zeitung
    und freute sich in der Regel auf die Arbeit.
    An diesem Tag jedoch nicht.
    Seine Frau stellte einen Teller mit zwei Pfannkuchen vor ihm auf den Tisch.
    Zwischen den Pfannkuchen gab es Butter, oben drauf echter kanadischer
    Ahornsirup, sie wußte, daß er es so liebte, doch statt sich begierig über sein
    Frühstück herzumachen, umklammerte er Messer und Gabel und klopfte
    damit unrhythmisch auf dem Tisch herum, ohne das selbst zu bemerken.
    »Nicht wahr?«
    9
    Er fuhr zusammen und ließ die Gabel auf den Boden fallen.
    Evald Bromos Frau hieß Margaret Kleiven. Sie war eine magere Frau, so als
    habe die Kinderlosigkeit, mit der sie sich niemals hatte abfinden können, sie
    von innen heraus zerfressen. Ihre Haut schien zu groß für ihren dünnen
    Körper, und

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