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Holt, Anne - Hanne Wilhelmsen 5

Holt, Anne - Hanne Wilhelmsen 5

Titel: Holt, Anne - Hanne Wilhelmsen 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred
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Felder plötzlich den Blick aufs Meer freigaben. Die Staure-
    Brücke spannte sich elegant vom Festland bis zur achthundert Fjordufermeter
    entfernt gelegenen Halbinsel.
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    Sie hielten auf einem Kiesplatz, der eine Minute von der Brücke entfernt lag.
    Hanne schaute kurz in die Papiere, die sie zwischen Sitz und Ablagefach
    eingeklemmt hatte. Hier war Stäle Salvesens alter Honda gefunden worden.
    Jetzt war der Platz leer. Der Wind hatte einen Papierkorb umgeworfen. Ein
    Dachs oder vielleicht auch nur ein streunender Hund hatte den Inhalt auf dem
    Boden verteilt; nicht einmal der frische Geruch von Salz und Meer konnte den
    fauligen Gestank auslöschen.
    »Komisch, daß sowas nicht weggeräumt wird«, sagte sie zerstreut und schloß
    den Wagen ab.
    »Fünfundvierzig Minuten«, brüllte Billy T., der schon losgelaufen war. Seine
    Stimme ging fast unter in dem Lärm, den das Meer an den riesigen
    Ufersteinen machte.
    »Was?« rief Hanne zurück.
    »Wir haben von der Wache bis hierher fünfundvierzig Minuten gebraucht«,
    erklärte er, als sie ihn eingeholt hatte. »Schön, daß es so etwas so dicht bei
    Oslo gibt.«
    Die Staure-Brücke war ziemlich schmal. Zwei Autos konnten einander
    durchaus noch passieren, ein Auto und ein LKW dagegen würden bereits
    Probleme bekommen. Auf der Südseite - zum Meer hin - zog sich ein enger,
    korridorähnlicher Streifen für Fußgänger hin, der von den Fahrbahnen
    abgetrennt war. Vermutlich war er erst nach Einweihung der Brücke
    eingerichtet worden. Hanne lief los. Die Brücke war steil, und schon nach
    zweihundert Metern blieb sie atemlos stehen. Billy T. schlenderte hinterher.
    »Was suchen wir eigentlich?« fragte er und widerstand der Versuchung, ihr
    die Haare aus dem Gesicht zu streichen; der Wind über dem Fjord war kräftig,
    und er spürte, wie sich die Brücke unter ihm bewegte.
    »Alles und nichts«, sagte sie und setzte sich wieder in Bewegung.
    Dann hatten sie den höchsten Punkt erreicht.
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    Billy T. fühlte sich nicht wohl in seiner Haut.
    »Verflixt«, murmelte er und wagte kaum, über das Geländer zu blicken. »Mir
    müßte es saudreckig gehen, ehe ich hier runterspringen würde . . . «
    Hanne nickte leicht. Sie beugte sich so weit wie möglich vor. Das Wasser
    erschien ihr als grauweißes Wogen tief unten in einem schwarzen Nichts.
    Wenn sie nicht gewußt hätte, daß es bis dorthin zwanzig Meter waren, hätte
    sie es nicht schätzen können. Es gab keine Vergleichsmöglichkeiten, nichts,
    was einen realistischen Eindruck von Größe und Entfernung erwecken konnte.
    »Halt mich fest«, sagte Hanne und fing an, über das Geländer zu klettern.
    »Hast du denn völlig den Verstand verloren, Frau?«
    Billy T. packte Hannes Oberarme und versuchte, sie wieder auf die Brücke zu
    ziehen.
    »Au«, schrie Hanne. »Das tut weh! Das ist gefährlich! Halt mich an den
    Schultern fest, aber nicht so hart.«
    Billy T. lockerte widerwillig seinen Griff und packte die geräumigen
    Jackenschultern. Er spürte seinen Puls gegen seine Trommelfelle dröhnen und
    konnte kaum atmen. Hanne hing am Geländer, und er konnte nicht sehen, wo-
    nach sie mit den Beinen suchte.
    »Was zum Teufel hast du denn vor«, fauchte er und spürte einen
    Adrenalinstoß, als er für einen Moment glaubte, Hanne aus dem Griff verloren
    zu haben.
    »Ich will«, stöhnte Hanne und bückte sich so tief nach unten, daß er sie
    loslassen mußte, um keine Katastrophe zu verursachen. »Ich will feststellen,
    ob es einen Weg zurück zum Festland gibt und. . . «
    Der Rest war nicht mehr zu hören. Hanne war verschwunden. Billy T s
    Höhenangst wich einer noch größeren Angst: daß Hanne ins Meer gestürzt
    sein könnte. Verzweifelt beugte er sich über das Geländer und versuchte
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    vergeblich, etwas anderes zu entdecken als die grauen Schaumköpfe tief, tief
    unten. »Hanne! Hanne!«
    Er schrie ihren Namen immer wieder und durchwühlte verzweifelt seine
    Taschen nach dem Handy. »O verdammt!« Das Telefon lag im Auto. »Es
    geht«, hörte er eine Stimme.
    Hannes Kopf tauchte über dem Geländer auf. Sie legte die Hände auf das mit
    Eisen beschlagene Gesims und rollte sich über die Kante. Dann lächelte sie
    und schaute ihm in die Augen.
    »Es wäre möglich«, sagte sie. »Die Brücke ist so konstruiert, daß du über das
    Geländer klettern und den Eindruck erwecken kannst, daß du ins Wasser
    springst. Dann kannst du unterhalb des Fußgängerwegs wieder zum Ufer kom-
    men. Es ist bestimmt

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