Holt, Anne - Hanne Wilhelmsen 5
schwierig, aber durchaus nicht unmöglich.«
»Miststück«, fauchte Billy T.
»Du weißt, daß ich Höhen nicht so toll finde«, tobte er und drängte sich an ihr
vorbei.
Sein breiter Rücken bewegte sich auf dem ganzen Weg zurück an Land vor ihr
her. Billy T. sagte kein Wort und ließ sie auch auf dem kurzen Weg von der
Brücke zum Auto nicht neben sich. Wenn sie einen Versuch machte, steigerte
er sein Tempo. Aber sie hatte die Wagenschlüssel.
»Tut mir leid«, sagte sie und legte ihm die Hand auf den Arm, während er wie
ein mürrisches Kind dastand und darauf wartete, daß sie aufschloß.
Die Aufrichtigkeit in ihrer Stimme schien ihn zu beeindrucken. Er lächelte und
zuckte kurz mit den Schultern.
»Du hast mir wirklich angst gemacht«, sagte er kurz und überflüssig.
»Tut mir leid«, sagte sie noch einmal und schüttelte den
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Kopf. »Du hast mir eine Zusammenfassung versprochen. Sollten wir nicht. . . «
Hanne schaute sich um. Es regnete nicht mehr, und obwohl die Luft rauh war
und die See weiß wogte, lag in der Landschaft eine Frische, die sie anzog und
zum Bleiben mahnte. Im Windschatten der Staure-Brücke, gleich im Norden
des Brückenkopfes, den sie eben erst verlassen hatten, zog sich vor einem
Wäldchen ein grober Sandstrand hin.
»Wenn, wenn wir. . . «
Hanne zögerte kurz. Dann sagte sie: »Glaubst du, wir könnten ein Feuer
machen und. . . ein bißchen hierbleiben?«
»Geht nicht. Zu feucht. Finden kein trockenes Holz.«
Billy T. fröstelte und streckte wieder die Hand nach der Autotür aus. Hanne
ging um das Auto herum und öffnete den Kofferraum. Als sie den Deckel
wieder zugeknallt hatte, hielt sie einen schwarzen Fünfliter-Benzinkanister in
der Hand.
»Schau her«, sagte sie und streckte die Hand mit dem Kanister aus. »Jetzt
können wir abfackeln, was immer wir wollen.«
Billy T. zog eine Grimasse, trottete dann aber hinter ihr her zum Strand. Dort
blieb er stehen, bohrte die Hände in die Hosentaschen und sah zu, wie Hanne
hin und herlief. Immer wieder bückte sie sich, hob hier einen Zweig, dort ein
Stück Treibholz auf. Nach und nach häufte sie alles in einer Mulde zwischen
größeren Steinen auf; diese Stelle hatte offenbar schon häufiger einem solchen
Zweck gedient. Am Ende goß sie zwei Liter Benzin über ihr Werk.
»Willst du den Strand in die Luft jagen oder was?« Billy T. trat einen Schritt
zurück.
Das Feuer loderte heftig auf, als Hanne vier Streichhölzer
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zwischen die Holzstücke warf. Beißender schwarzer Rauch quoll zur
niedrighängenden Wolkendecke hinauf. Hanne bekam Qualm ins Gesicht und
hustete unter Tränen.
»Ist doch gutgegangen«, murmelte sie halblaut und machte für Billy T. Platz
auf einem Baumstamm, der wie gerufen nur zwei Meter vom wütenden Feuer
entfernt lag.
Hier in der Bucht war es wesentlich weniger kalt als oben auf dem Parkplatz.
Trotzdem erfaßte ein Seitenwind das Feuer und trieb den Rauch von Hanne
und ihrem Kollegen fort.
»Laß hören«, sagte Hanne Wilhelmsen und wischte sich Ruß aus dem Gesicht.
»Das Wichtigste waren wohl die Disketten«, sagte Billy T. »Die aus dem
Medizinschränkchen im Keller. Sie enthalten Informationen über eingestellte
Ermittlungen.«
»Die Halvorsrud selbst eingestellt hat?« fragte Hanne tonlos.
»Ja.«
»Und habt ihr euch die näher angesehen?« »Ein wenig.«
Billy T. hob den Hintern, um sich bequemer hinzusetzen.
»Zwei sind ziemlich klare Fälle. Ermittlungen eingestellt aus Mangel an
Beweisen. Was natürlich nicht bedeutet, daß die Schurken. . . «
»Nicht schuldig sind«, sagten Hanne und er im Chor.
»Genau«, sagte Billy T. »Aber die Fälle sind in Ordnung. Die beiden anderen
dagegen. . . «
» . . . sind schon zweifelhafter«, sagte Hanne.
Billy T. nickte.
»Wir haben noch jemanden von der Wirtschaftskripo darangesetzt. Eine Frau.
Sie hält es nicht für richtig, daß in diesen Fällen die Ermittlungen eingestellt worden sind. Aber das sagt an sich noch nichts. Wir wissen doch, wie das ist.
Wichtiger ist, daß Halvorsrud sich wegen eines Falls übel
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mit seinen Kollegen gestritten hat. Er hat all seine Autorität aufgewandt,
um. . . «
» . . . die Akten schließen zu lassen«, sagte Hanne.
»Das ist ziemlich nervig«, sagte Billy T. wütend und warf einen Zweig ins
Feuer.
»Entschuldigung?«
»Du nimmst mir immer wieder das Wort aus dem Mund.«
»Tut mir leid.«
Sie erhob sich, um mehr Benzin ins Feuer zu gießen. Er hielt
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