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Holt, Anne - Hanne Wilhelmsen 5

Holt, Anne - Hanne Wilhelmsen 5

Titel: Holt, Anne - Hanne Wilhelmsen 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred
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Sehnsucht in den Schlaf geweint, die
    nur von den hilflosen Wünschen übertroffen wurde, die sie empfand, wenn sie
    bei Cecilie saß. Hanne wollte Cecilie zu Hause haben. Aber es kam ihr sicherer
    vor, wenn sie im Krankenhaus war. Sie hätte bestimmt noch mehr das Gefühl,
    Cecilie im Stich zu lassen, wenn sie den ganzen Tag bei der Arbeit war und
    Cecilie allein zu Hause wüßte.
    »Nee. Kann nicht. Muß heute ganz viel im Haushalt erledigen. Wie war die
    Beerdigung?«
    »In Ordnung. Aber du kommst jetzt mit mir.«
    »Ich kann nicht, hab ich doch gesagt. Ich hab zu Hause zu tun.«
    Sie versuchte, sich die Haare zu einer Art Mittelscheitel zu kämmen, den sie
    sich zugelegt hatte, weil sie es nie zum Friseur schaffte. Der Pony wollte nicht, und sie spuckte sich leicht auf die Finger und zog dann die Hand durch die
    Haare.
    »Worum geht es überhaupt?«
    »Wirst schon sehen. Wenn du nicht kommst, schleppe ich dich mit Gewalt
    davon. So gesehen ist das eine Art Entführung.«
    Hanne Wilhelmsen resignierte und folgte ihm, ohne seine ausgestreckte Hand
    zu nehmen.
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    Sogar hier in der Bucht war das Wasser schaumbedeckt. Er stand auf der mit
    Steinen ausgelegten Terrasse und schaute aus zusammengekniffenen Augen in
    den Wind und hinüber nach Osteroya, dabei umklammerte er das schmiedeei-
    serne Geländer. Natholmen bot nicht viel Schutz, wenn der
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    Wind von Süden wehte, und er gab den Gedanken auf, zum Angeln auf den
    Fjord zu fahren. Eine Stunde zuvor hatte er am Kiosk in Sollokka das Nötigste
    für die kommenden Tage eingekauft. In weiser Voraussicht hatte er auch zwei
    Packungen tiefgefrorenen Kabeljau erstanden.
    Das Ganze war ein phantastischer und unerwarteter Durchbruch.
    Nichts weniger.
    Als der Name auf dem Bildschirm aufgetaucht war, hatte er zu zittern
    begonnen. So mußte ein plötzlicher Lottogewinn sein, bildete er sich ein. Oder
    die überraschende und gänzlich unerklärliche Genesung von einer unheilba-
    ren, tödlichen Krankheit. Oder die Begegnung mit einem geliebten
    Familienmitglied, das man seit Jahren für tot gehalten hatte. Eine heiße Welle
    spülte aus seinem Unterleib in sein Zwerchfell und zurück, und er stöhnte
    mehrmals laut auf.
    Seit drei Jahren arbeitete er an dieser Sache!
    Im April 1996 hatte er die Entschädigungssumme erhalten, die die Stadt Oslo
    ihm für eine verlorene und ruinierte Kindheit hatte zahlen müssen. Dazu
    strömte Geld herein, als »Rotlicht in Amsterdam« in immer neuen
    Übersetzungen erschien. Vor zwanzig Jahren hatte er hier einen Sommer
    verbracht; das war seine einzige schöne Erinnerung an die Jahre vor seiner
    Haft. Seine Tante hatte das Haus längst verkauft. Eivind Torsvik hatte den
    neuen Besitzer aufgesucht und ihm anderthalb Mal soviel geboten, wie das
    Grundstück wert war. Der Mann hatte zwei Stunden Bedenkzeit gehabt. Der
    Anblick von fünf Millionen Kronen in einem Koffer hatte ihn dann überzeugt.
    Drei Wochen später war Eivind Torsvik eingezogen, mit zweihundert
    Kilogramm elektronischer Ausrüstung, einem Seesack voller Kleider und
    einem alten Sofa. Als die Zeit verging und er mit der Arbeit weiterkam, hatte er sich neue Möbel und eine Acu
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    phase-Hi-Fi-Anlage gegönnt. Die Hütte am Hamburg-kilen, ungefähr ein
    Dutzend Kilometer vom Zentrum von Sandefjord entfernt, war Eivind
    Torsviks erstes wirkliches Zuhause. Er hatte alles selbst geschafft. Er fühlte
    sich allein wohl und wußte, daß es immer so bleiben würde.
    Der Name hatte sich in ihn eingeätzt.
    Eivind Torsvik setzte sich auf die Holzbank unter dem Wohnzimmerfenster.
    Er horchte auf den Lärm der See und die Schläge, die seine Haare seinen
    Wangen verpaßten. Er schaute zu zwei Seeschwalben hinauf, die von den
    Sturmböen erfaßt wurden und dabei heisere, schrille Schreie ausstießen. Er
    füllte seine Lungen mit der salzigen Luft und fühlte sich frei.
    Jetzt war alles nur noch eine Frage der Zeit.
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    Das Kind war wirklich besonders schön. Der Kopf war schön geformt, mit
    einem länglichen Hinterkopf, der jetzt schon verriet, daß die Kleine keine
    große Ähnlichkeit mit ihrem Vater haben würde. Die Haare fielen schwarz,
    weich und bemerkenswert üppig in die Stirn und wippten über den Ohren in
    angehenden Locken. Hanne Wilhelmsen hatte noch nie einen norwegischen
    Säugling mit so langen Wimpern gesehen. Sie krümmten sich über großen,
    leicht schrägstehenden Augen, die kugelrund wurden, wenn das Kind ins Licht
    schaute. Die Iris war von undefinierbarer

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