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Holt, Anne - Hanne Wilhelmsen 5

Holt, Anne - Hanne Wilhelmsen 5

Titel: Holt, Anne - Hanne Wilhelmsen 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred
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nicht so herum wie andere Frauen. Über Klodeckel und
    Zahnpasta und so. Aber mir kommt es vor. . . Ich tue Dinge, nur um sie zu
    ärgern.«
    Er setzte sich auf und wandte sich zu Hanne um. Sein Gesicht war nur zehn
    Zentimeter von ihrem entfernt. Sie starrte in seine eisblauen Augen, konnte
    das aber nicht lange ertragen und ließ ihren Blick zu seinem Mund hinabwan-
    dern. Der wirkte in dieser Nähe so groß; sie sah nur den Mund; die trockenen,
    gesprungenen Lippen unter dem kolossalen Schnurrbart, der häufiger kam
    und ging, als irgendwer das im Kopf behalten konnte; jetzt war er riesengroß,
    und sie musterte jedes steife Haar darin und merkte, daß sie nicht klar denken
    konnte.
    »Und im Sommer heiraten wir auch noch«, sagte er durch
    zusammengebissene Zähne. »Ich kann doch verdammt noch mal nicht
    heiraten, solange ich nicht. . . wenn ich das schon jetzt so empfinde, wo das
    Kind erst gerade . . . O Scheiße!«
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    »Ich muß gehen«, sagte sie hilflos und faltete die Hände in ihrem Schoß.
    »Gehen?«
    Er zog seinen Arm abrupt zurück und konnte seine Enttäuschung nicht
    verbergen. »Mußt du gehen? Jetzt?«
    »Ich hab doch gesagt, daß ich viel zu tun habe. Cecilie. Sie kommt morgen
    nach Hause. Ich muß putzen.« Hanne stand auf und ging auf die Wohnungstür
    zu. »Du hast nicht gesagt, warum ihr kein Kind adoptiert habt«, hörte sie ihn
    hinter ihrem Rücken.
    Langsam, als wisse sie noch nicht, ob sie überhaupt antworten wolle, drehte
    sie sich um und sah ihn an. Noch immer saß er auf dem Sofa, und noch immer
    kratzte er sich wie wild zwischen den Schnurrbarthaaren.
    »Ich weiß es nicht«, log sie. »Aber jetzt können wir ja nur froh sein, daß es
    nicht dazu gekommen ist.«
    Erst unten auf der Straße fiel ihr auf, daß sie ihr Telefon und eine Tüte mit
    Lebensmitteln bei Billy T. vergessen hatte. Sie winkte einem Taxi und war zu
    Hause, ehe die Fernsehnachrichten anfingen. Bestimmt hatte sie noch irgend
    etwas im Kühlschrank.
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    >Ich finde, du bist so dünn geworden«, klagte Margaret Kleiven. »Du warst ja
    immer schon schlank, aber jetzt bist du geradezu mager.«
    Evald Bromo hatte angefangen, seine Frau zu verachten. Er hatte sie nie
    geliebt, aber auf seine Weise hatte er dieser dürren Gestalt immer positive
    Gefühle entgegengebracht; eine Art liebevolle Abhängigkeit, die schon an
    Dankbarkeit
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    grenzte. Jetzt widerte sie ihn an. An Tagen wie diesem, wo sie von der Arbeit
    nach Hause hastete, um vor dem Wochenende zu putzen, und ihn deshalb mit
    einer verschlissenen Schürze und vom Scheuern feuerroten Händen empfing,
    konnte er kaum das trockene Streifen ihrer Lippen ertragen, während er den
    Mantel aufhängte.
    »Du mußt mit der Lauferei aufhören. Das ist nicht gesund. Übrigens ist ein
    Paket für dich gekommen.«
    »Ein Paket«, wiederholte er tonlos.
    Der Geruch von Putzmitteln und gebratenem Seelachs schlug ihm entgegen,
    als er in die Küche ging. Er ließ sich auf einen Holzstuhl sinken und legte die
    Ellbogen auf den Tisch.
    »Müde«, sagte er.
    »Essen?«
    »Ja, bitte.«
    Sie nahm einen Teller und ging zum Herd. Er betrachtete sie träge und
    versuchte, einen Appetit herbeizuholen, den er seit mehr als drei Wochen
    nicht mehr verspürt hatte. Je mehr er lief, desto weniger aß er. Je mehr er
    rannte, desto schlechter schlief er. Jetzt fuhr er nicht mehr mit dem Bus zur
    Arbeit. Er lief. Hin und her. Aber Hunger hatte er nie.
    »Hier. Iß.«
    Sie stellte den Teller vor ihn hin. Gebratener Seelachs mit Zwiebeln und
    Kartoffeln und wäßrigem Gurkensalat, der schon zu lange gestanden hatte. Er
    stocherte mit einer Gabel im Fisch herum und hatte keine Ahnung, wie er
    etwas hinunterbringen sollte.
    »Hier«, sagte Margaret wieder. »Das ist mit der Post gekommen. Nun mach
    schon auf.«
    Er legte die Gabel weg. Das Paket war nicht groß, an die fünfzehn mal
    fünfzehn Zentimeter, und ziemlich flach. Namen und Adresse waren in
    neutralen Blockbuchstaben geschrieben. Kein Absender.
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    Er griff nach dem Päckchen und drehte es um. Auch auf der Rückseite war
    kein Absender angegeben. Dann verspürte er einen heftigen Stoß im
    Zwerchfell, eine Adrenalinexplosion, die alle seine Glieder erreichte und ihn
    zwang, das Päckchen auf seine Knie zu legen, wenn er es nicht fallen lassen
    wollte.
    »Nur ein Pulsmesser«, sagte er kurz.
    »Ein Pulsmesser?«
    Sie lächelte und fing an zu essen.
    »Nun mach doch auf.«
    »Nein.«
    Er zwang drei Gurkenscheiben in sich hinein.

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