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Holt, Anne - Hanne Wilhelmsen 5

Holt, Anne - Hanne Wilhelmsen 5

Titel: Holt, Anne - Hanne Wilhelmsen 5 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred
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wurden.
    »Wissen Sie, daß Halvorsrud an einem blutenden Magengeschwür leidet?«
    fragte sie Hanne schließlich.
    »Ja.«
    Wieder Stille.
    »Ist Ihnen bekannt, daß seine Tochter als Folge der Festnahme ihres Vaters in
    eine psychiatrische Klinik eingewiesen werden mußte?«
    »Euer Ehren!«
    Annmari Skar breitete die Arme aus und verdrehte die Augen. Richter Bugge
    schob sich einen Bleistift in den Mund und kaute schweigend darauf herum.
    Hanne verlagerte ihr Gewicht vom linken auf den rechten Fuß und
    verschränkte die Arme.
    »Ich weiß, daß die Tochter krank ist. Die Ursache dieser Erkrankung ist mir
    unbekannt. Sie haben mir mitgeteilt, daß sie ihren Vater vermißt, ich selbst
    aber habe mit keinem Arzt gesprochen. Ich gehe davon aus, daß auch der
    Mord an ihrer Mutter für eine Sechzehnjährige nicht leicht zu verkraften ist.«
    »Aber wenn ich Ihnen sage, daß wir ein ärztliches Attest besitzen, das Theas
    bedenklichen Zustand unmittelbar mit der Tatsache verknüpft, daß ihr Vater
    im Gefängnis sitzt, wie schätzen Sie dann die Verhältnismäßigkeit einer
    weiteren Haft ein?«
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    »Glücklicherweise brauche ich das nicht zu entscheiden. Das ist die Aufgabe
    des Gerichts.«
    »Aber wenn ich Sie um Ihre persönliche Meinung bitte?«
    Endlich merkte Hanne Wilhelmsen, daß Billy T. sich ihr zugewandt hatte, und
    sie ahnte ein Lächeln unter dem Schnurrbart. Sie sah, wie er die Hand auf
    Annmari Skars Arm legte; er wußte, daß Hanne jetzt allein zurechtkommen
    würde.
    »Die ist für das Gericht wohl kaum von Interesse«, sagte Hanne langsam und
    starrte Richter Bugge an. »Ich gehe davon aus, daß ich als Hauptkommissarin
    hier stehe. Und nicht als Privatperson.«
    Karen Borg seufzte demonstrativ und machte mit der linken Hand eine Geste
    der Resignation.
    »Ich gebe auf«, murmelte sie. »Danke.«
    Solche Gemeinheiten rächen sich eben, dachte Hanne und wollte sich schon
    umdrehen und den Zeugenstand verlassen.
    Annmari Skar hielt sie zurück.
    »Ich habe ebenfalls Fragen an die Hauptkommissarin«, teilte sie dem Richter
    mit. »Es dauert nicht lange.«
    Als er nickte, schien Skar zu zögern.
    Sie holte tief Luft, spielte kurz mit ihrem Bleistift, nahm ein Blatt aus ihrem
    Unterlagenstapel, sah es sich genau an und sagte endlich: »Am vergangenen
    Samstag, Hauptkommissarin Wilhelmsen. . . stimmt es nicht, daß der
    Angeklagte da ein Geständnis ablegen wollte?«
    Hanne wurde es heiß. Sie hatten sich darauf geeinigt, Halvorsruds Angebot als
    einen verzweifelten Versuch, seine Tochter zu sehen, abzuhaken. Annmari
    Skar hatte das versprochen. Halvorsruds Geständniswunsch sollte vergessen
    sein. Die Aktennotiz, die Hanne hatte schreiben müssen, war vage und
    nichtssagend und war noch nicht einmal ins Protokoll eingetragen worden.
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    »So kraß würde ich das nicht ausdrücken«, sagte sie leise. »So kraß?«
    »Ich würde absolut nicht von einem Geständnis sprechen.«
    »Aber stimmt es denn nicht ..«
    Annmari Skar beugte sich vor und schwenkte ihr Papier, als enthalte es ein
    vorbehaltloses Schuldgeständnis.
    » . . . d a ß der Angeklagte am späten Samstagabend eine Unterredung mit
    Ihnen verlangt hat, weil er ein Geständnis ablegen wollte? Und daß Sie sich in
    Ihrem Büro mit ihm und Anwältin Borg getroffen haben?«
    Billy T. war unruhig auf seinem Stuhl hin und her gerutscht. Jetzt griff er zu
    einem Kugelschreiber und kritzelte eine Mitteilung in seinen Notizblock. Die
    schob er der Polizeianwältin hin. Sie las schnell, drehte sich halbwegs zu ihm
    um und flüsterte: »Karen Borg hat angefangen.«
    Dann schwenkte sie wieder die Aktennotiz und fragte: »Hatte er vielleicht
    gelogen? Wollte er gar nicht gestehen?«
    Hanne Wilhelmsen schluckte. Ihr Hals brannte, ihre Ohren sausten. Wieder
    hatte sie das vage Gefühl, gefangen zu sein. Ihre Fingerspitzen prickelten, und
    sie ertappte sich dabei, daß sie die Kollegin stumm anstarrte. Für einen
    Moment sah sie ihren alten Vater vor sich, diesen unzugänglichen Mann, der
    seine älteren Kinder, als Hanne noch klein war, nach dem Essen mit Auszügen
    aus der Juristenzeitschrift unterhielt und es nie verziehen hatte, daß Hanne
    nicht Jura studieren wollte. Sie sah seine Augen durch den leichten Dampf
    seiner Kaffeetasse, blau und hart und bis zum Rand gefüllt mit Enttäuschung
    über seine Tochter, die die Füße aufs Sofa zog und nicht hören wollte. Hanne
    musterte ihre Finger und dachte, daß sie bald vierzig würde und während

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