Holt, Anne - Hanne Wilhelmsen 5
Kronen, die in einem Medizinschränkchen
im Keller des Angeklagten und der Verstorbenen gefunden worden sind, ihm
keinerlei finanzielle Unregelmäßigkeiten nachweisen konnte. Der Angeklagte
streitet jegliches Wissen um dieses Geld ab, das im übrigen nicht seine Finger-
abdrücke aufweist. Das Vorkommen von Fingerabdrücken auf der Tüte, in der
das Geld gesteckt hat, kann zufällige Ursachen haben und wird vom Gericht
nicht weiter wichtig genommen.«
Annmari Skar fing an, mit dem Fuß zu wippen. Sie schaute Billy T. an, und auf
ihrer Stirn zeichneten sich zwei schmale Furchen ab.
»Das Gericht weist weiter daraufhin, daß auch hinsichtlich der vier Personen,
um die es auf den zusammen mit der erwähnten Geldsumme gefundenen
Disketten geht, keine Unregelmäßigkeiten nachgewiesen werden konnten. Das
Gericht wundert sich darüber, daß die Polizei in diesem
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Punkt nicht umfangreichere Untersuchungen angestellt hat. Dem Gericht
wurden lediglich vorgelegt. . . nein, streichen Sie das.«
Richter Bugge bohrte den Zeigefinger ins Ohr und kratzte sich ausgiebig. Der
Protokollführer gehorchte, und der Richter redete weiter: »Das Gericht stellt
fest, daß mit jeder der Personen, die der Theorie der Polizei zufolge den
Angeklagten bestochen haben sollen, damit dieser die gegen sie gerichteten
Ermittlungen einstelle, jeweils nur eine Vernehmung abgehalten worden ist.
Alle Beteiligten streiten jeglichen Kontakt zu dem Angeklagten ab, der über
das Normale in solchen Fällen hinausgeht. Die Polizei hat dem Gericht bisher
keinerlei Grund dazu geliefert, die Aussagen der Zeugen anzuzweifeln. Des
weiteren sieht das Gericht keinen Grund, Gewicht auf die Behauptung des
türkischen Zeugen zu legen, der Angeklagte habe ihm im letzten Jahr
angeboten, eine Anklage gegen ihn einzustellen. Das Gericht zweifelt die
Glaubwürdigkeit dieses Zeugen durchaus nicht an, kann sich aber nicht
vorstellen, daß ein hochqualifizierter Jurist und erfahrener Anwalt bei einer
solchen Anfrage seinen eigenen Namen angegeben hätte. Das Gericht kann
nicht ausschließen, daß von dritter Seite der Angeklagte durch diesen Anruf in
Mißkredit gebracht werden sollte. Was die Aussagen der Polizei über den
Computer der Verstorbenen angeht, der angeblich vom Angeklagten . . . «
Er suchte nach dem richtigen Wort und schnalzte schallend mit der Zunge.
»...manipuliert worden ist, so hält das Gericht das für pure Spekulation.«
Richter Bugge hustete energisch und griff zu einem Plastikbecher voll Wasser.
Er leerte ihn mit einem Schluck, räusperte sich noch einmal und sagte dann,
wobei er die Wörter, die wenige Sekunden, nachdem er sie gesagt hatte,
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auf dem Bildschirm auftauchten, nicht aus den Augen ließ: »Das Gericht stellt
außerdem fest, daß auch die Polizei nicht ausschließen kann, daß der
Angeklagte die Wahrheit sagt, wenn er behauptet, der Mord an seiner Gattin
sei von einem gewissen Stäle Salvesen begangen worden. Das Gericht gibt sich
mit der Zusicherung zufrieden, daß diese Behauptung genauer überprüft
werden wird, zumal Stäle Salvesens Leichnam noch nicht gefunden werden
konnte.«
Billy T. registrierte, daß Halvorsrud sich die Hand vor die Augen legte. Seine
Schultern zitterten leise, er schien zu weinen. Karen Borg wirkte angespannt,
immer wieder machte sie mummelnde Nasenbewegungen, über die Billy T.
lächeln mußte, obwohl das Gericht so scharfe Kritik an der Arbeit der Polizei
übte.
»Er findet immerhin einen triftigen Grund für einen Verdacht«, flüsterte
Annmari Skar. »Gott sei Lob und Dank.«
»Warte mit den Danksagungen«, riet Billy T.
»Das Gericht erkennt unter starken Vorbehalten die Gefahr der Vernichtung
von Beweismaterial im Falle einer Haftentlassung des Angeklagten«, sagte
Richter Bugge mit heiserer, monotoner Stimme. »Vor allem wird daraufhinge-
wiesen, daß der Verdacht auf Korruption noch nicht wirklich untersucht
worden ist. Was die technischen Umstände des Mordes angeht, so geht das
Gericht davon aus, daß alle Beweise gesichert und vor Veränderung oder
Manipulation geschützt sind.«
»Yes«, formte Annmari Skar mit den Lippen, dann hielt sie ihren Mund an
Billy T.s Ohr und flüsterte: »Das hat gesessen.«
Billy T. wich aus.
»Die Bedingungen für weitere Haft nach Paragraph 171 Strafgesetzbuch sind damit erfüllt. Indessen. . . «
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Zum ersten Mal blickte der Richter vom Bildschirm auf. Er ließ seinen Blick
von Karen Borg zu
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