Holt, Anne - Hanne Wilhelmsen 5
Stuhl zurücksinken und schaute zu
Annmari Skar hinüber. Sie war eher attraktiv als wirklich hübsch. Sie war
klein und ziemlich rundlich, besaß aber eine feminine Ausstrahlung, die ihm
mehr als einmal heimliche Blicke entlockt hatte. Ihr Gesicht war stark und
offen, mit großen braunen Augen und dunkelbraunen Haaren, die schon
Silberstreifen aufwiesen, obwohl sie noch längst keine vierzig war. Billy T.
spürte plötzlich ein Bohren im Zwerchfell, und er ertappte sich dabei, die
Hand auf ihren Rücken zu legen, während sie zu Richter Bugges großem Arger
mit einem Bleistift auf der Schranke herumtrommelte.
»Würde die Polizeijuristin baldigst mit diesem Lärm aufhören«, kläffte er.
Annmari Skar erstarrte und errötete leicht.
Und ich muß mich verdammt nochmal zusammen
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reißen, dachte Billy T. und ließ seine Hand sinken, die schon fast den Rücken
der Polizeianwältin erreicht hatte.
Jemand öffnete die Tür. Hanne Wilhelmsen betrat langsam den fast
quadratischen Gerichtssaal u n d diskutierte leise mit dem Gerichtsdiener, ob
sie das überhaupt dürfe. Er kannte sie gut und ließ sie durch, ehe er sorgfältig die Tür hinter ihr schloß. Billy T. konnte für einen Moment feststellen, daß die Presse noch nicht aufgegeben hatte.
»Tut mir leid«, sagte Hanne laut in Richtung Richtertisch. »Ich habe wichtige
Informationen für die Anklage.«
»Brmff«, sagte Richter Bugge noch einmal. »Aber beeilen Sie sich.«
Hanne Wilhelmsen öffnete die niedrige Schwingtür aus Holz, die die
Publikumsbänke vom restlichen Lokal trennten. Sie passierte den
Zeugenstand ohne einen Blick auf Anwältin Borg und Halvorsrud, beugte sich
über die Schranke und stemmte die Hände auf die Tischplatte.
»Ich habe eine Vorladung von Karen Borg«, flüsterte sie Annmari Skar zu.
»Die lag auf meinem Schreibtisch, als ich vor einer halben Stunde aus. . . als
ich zurückgekommen bin.«
»Eine Vorladung«, fauchte Billy T , der sich zu den beiden vorgebeugt und
alles gehört hatte. »Beim Untersuchungsgericht werden doch keine Zeugen
vorgeladen.«
»Pst!«
Annmari Skar legte ihm die Hand auf den Oberarm.
»Daß es nicht üblich ist, heißt ja nicht, daß es verboten wäre. Ich habe es auch erst vor ein paar Minuten erfahren.«
Sie hielt sich die Hand vor den Mund, als habe sie Angst davor, ihre Gedanken
laut auszusprechen.
»Weißt du, warum du herbestellt worden bist?« flüsterte sie endlich so leise,
daß Billy T. es fast nicht hören konnte.
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Hanne Wilhelmsen gab keine Antwort, sondern ließ ihren Blick vom Gesicht
der Polizeianwältin zu deren umfangreichem Dokumentenstapel wandern.
»Hattest du das eigentlich mit Karen Borg besprochen?« sagte Annmari Skar
dann wütend; jetzt vergaß sie, ihren Tonfall zu dämpfen.
»Nicht direkt«, erwiderte Hanne eilig. »Ich habe nicht über eine Aussage mit
ihr gesprochen. Wirklich nicht.«
»Aber warum. . . «
»Ich denke, das reicht jetzt«, teilte der Richter wütend mit. »Ich nehme an,
daß die Polizei alles Lebensnotwendige erledigt hat und wir weitermachen
können.«
Hanne Wilhelmsen verließ den Gerichtssaal. Als sie die Treppe in den ersten
Stock hochging, um sich aus der Kantine eine Tasse Kaffee zu holen, fiel ihr
ein, daß sie jemand anderen mit der Nachricht hätte schicken müssen. Da sie
doch aller Wahrscheinlichkeit nach als Zeugin auftreten würde — Richter
Bugge hatte zu entscheiden, ob er sie wirklich vernehmen wollte -, hätte sie im
Grunde den Gerichtssaal nicht während der Verhandlung betreten dürfen. Sie
tat es mit einem Schulterzucken ab. Zum einen war sie keine Juristin. Zum
anderen hatte sie nichts mitbekommen.
Und Billy T. auch nicht.
Er hatte Ohrensausen vor Wut.
Hanne Wilhelmsen mußte doch Informationen haben. Wenn Karen Borg sie
als Zeugin wollte, dann doch offenbar, weil die Anwältin annahm, Hanne
könne irgend etwas zu Halvorsruds Vorteil erzählen. Bisher waren Hannes
Zweifel an der Schuld des Oberstaatsanwaltes beruflich bedingt gewesen. Auf
jeden Fall sah Billy T. das so. Ja, verdammt, er hatte doch selbst auch
geschwankt; das Gefühl der Unsicherheit war gerade ihm durchaus vertraut.
Und das war auch gut so. So sollte es sein. Die Polizei mußte
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immer alle Möglichkeiten offenhalten. Doch wenn Karen Borgs Annahme,
Hannes Aussage könne Halvorsrud weiterhelfen, auf einer Information
basierte, die Hanne ihr selbst gegeben hatte, dann näherte sich das Verhalten
der
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