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Holunderküsschen (German Edition)

Holunderküsschen (German Edition)

Titel: Holunderküsschen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Gercke
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ethnischer Gruppen und Studenten an ihnen vorbeizi e hen. Trotz der vielen neuen Wohnungen, die hier in den letzten Jahren entstanden sind, hat sich die Schanze mit ihren gemütlichen Cafés und den urigen Kneipen ihre quirlige Ursprünglichkeit bewahrt.
    „Hier waren Sergej und ich letzte Woche beim E ssen.“ Katjas Gesicht bekommt einen schwärmerischen Ausdruck, während sie mit dem Finger auf ein unscheinbares Rotklinker-Fabrikgebäude zeigt. Auf dem Vorplatz sind lange Bänke mit Tischen und Sonnenschirmen au f gebaut, unter denen es sich mehrere Grüppchen gemütlich gemacht haben und ihr Mittagessen im Freien genießen. Eigentlich entspricht das so gar nicht Katjas Stil.
    „Das ist der Schuppen vom Mälzer. Du weißt schon ...“ Ich habe keine Ahnung, wen Katja meint. Erstaunt sieht sie mich an und ich komme mir plötzlich vor wie ein Landei. „Na, dem Fernsehkoch.“
    Bei mir dämmert es so langsam. „Ist das der Typ, der aussieht wie ein dickliches Mo n chichi -Äffchen und redet wie ein waschechter Hamburger mit leichtem Lispler?“
    Katjas prustet laut los. „Genau der!“ Sie bleibt an dem Eckhaus stehen. „Wir sind da.“
    Über die gesamte Fensterfront zieht sich ein gelber Schriftzug mit dem Aufdruck Box Ha a re . Katjas Friseurtempel.
    Ich bin ein bisschen enttäuscht. Nach Katjas Erzählungen zu urteilen, hatte ich einen Prachtbau erwartet, und jetzt stehe ich vor einem eher schäbig wirkenden Gebäude mit Rotkli n ker-Fassade und Graffiti. Der Kerl muss wirklich gut sein, wenn sich die Hamburger High Society zum Haarescheiden hierher traut .
    „Ich weiß, es sieht nicht besonders spektakulär aus . Aber Harald ist ein echter Künstler", beschwichtigt Katja, als hätte sie meine Gedanken erraten. „Im wahren Leben heißt Harald übr i gens Dieter Manuel Vögler. Aber das wissen nur die wenigsten seiner Freunde. Denn wer geht schon zu einem Friseur der »Dieter Manuel Vögler« heißt?" Katja lacht und öffnet dabei die L a dentür.
    Als wir den Laden betreten, steigt uns der typisch beißende Geruch nach Haarfärbemitteln in die Nase. Ein kleiner untersetzter Mann kommt mit ausgebreiteten Armen auf uns zu.
    Hä? Das soll der berühmte Hamburger Starcoiff e ur sein? Der Mann hat dichtes schwarzes Kopfhaar, das mit viel Gel zu einer Art moderner Hahnenkamm gebändigt wurde und nahtlos in den Bart übergeht, der wiederum mit den Brusthaaren verschmilzt, die sich unter seinem Shirt hervor kringeln. Ich blinzle irritiert. Der Mann ist geschminkt! Jonny Depp und die Pirates of the Cari b bean lassen grüßen. Schwarzer Kajal umrandet die Augen, die wulstigen Lippen umgeben von schwarzen Barthaaren wirken unnatürlich rot. Ach herrje, was erblicken meine Äuglein da – gezupfte Augenbrauen. Wenn ich etwas an Männern nicht leiden kann, dann sind es getrimmte Augenbrauen. Figurtechnisch hat das Männlein nichts mit Jonny Depp gemein. Seine dünnen, streichholzartigen Beine stecken in einer schwarzen Lederhose mit einem Totenkopfgürtel, der einem Augenschmerzen verschafft. Dazu trägt er eine schwarze Weste, die einen gewagten Blick auf das getrimmte üppige Brusthaar zulässt, das an eine schwarze Matte erinnert. Die Arme sind fast vollständig mit Tattoos übersät . Und dann dieser Schmuck! An den wurstigen Fingern glä n zen dicke Klunkerringe und selbst um den Hals hängen fette Ketten.
    Das kann Katja unmöglich ernst gemeint haben! Dieser Harald sieht aus wie die Galionsf i gur vom Christopher Street Day und mit diesen Wurstfingern braucht er eine Spezialanfertigung von Schere.
    Der Rest der Angestellten in Der Box macht den Eindruck, als wäre n sie gerade einem M a gazin für alternative Mode entsprungen und hätten sich ganz zufällig hier eingefunden , um zum Spaß anderer Leute Haare zu schneiden. Also wenn meine nachher so aussehen wie die, dann verzichte ich lieber.
    „Liebelein, was sieht sie wieder wunderschön aus ! “, begrüßt Harald Katja und wirft ihr e i nen Kuss über die Schulter. Mich würdigt er keines Blickes.
    „Ach, du alter Charmeur“, winkt Katja ab. „Toll, dass du Zeit für mich hast. Ich weiß ja wie voll dein Terminkalender immer ist. Das ist meine Freundin Julia.“ Sie gibt mir einen Stoß und ich stolpere ungeschickt nach vorne. „Äh, der Notfall, von dem ich gesprochen habe“, erklärt Katja unverschämt.
    Hallo! Geht ´s noch? Mich als »Notfall« zu bezeichnen, finde ich nun wirklich reichlich übertrieben. Zugegeben, meine Haare führen schon seit

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