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Holy Shit

Holy Shit

Titel: Holy Shit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rolf-Bernhard Essig
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alles.

8.

»Mit Verlaub, Herr Präsident, Sie sind ein Arschloch.«
    In den sprachlichen Niederungen Hoher Häuser

Kaiser Augustus beschimpfte die Tochter seines Neffen Agrippa und seine Enkelin, beide Julia mit Namen, als »carcinomata« und »vomicae«, als »Krebsgeschwür« und »Furunkel«. Auch berühmte Menschen haben eben ihre Schimpfstunde. Um Kaiser zu werden, musste Augustus politisch geschickt vorgehen, und er kannte die Politikerkaste seiner Zeit sehr gut. Deren Beliebtheit hielt sich schon damals in Grenzen, wie eine Sammlung kerniger Ausdrücke belegt, die Gerhard Fink in seiner schönen »Schimpfwortkunde des Lateinischen« mit dem Titel »Schimpf und Schande« präsentiert. Viele übrigens stammen von Politikern selbst: »Parricida, sicarius, veneficus, sacrilegus, latro, praedo, fur, pirata, archipirata, gladiator – Hochverräter [eigentlich ›Vatermörder‹], Meuchelmörder, Giftmischer, Tempelschänder, Räuber, Gangster, Dieb, Pirat, Seeräuberkapitän [wörtlich ›Erzpirat‹], Bandit …«
    Das klingt schon erstaunlich modern, kreuzen doch aktuell in ganz Europa Piraten in Parlamenten auf. Mit Hilfe einer Seeräuberromantik der Marke »Walt Disney« schmiedeten sie aus dem einstigen Schreckens- und Fluchwort eine klangvolle Ehrenbezeichnung. Politiker etablierter Parteien wirkten dagegen altmodisch. Kein Wunder, dass sie eine Zeitlang hemmungslos auf die Piraten schimpften. Nach deren Erfolgen wurde ihre Sprache, jedenfalls in der Öffentlichkeit, zahmer, sachlicher. Schade eigentlich, denn Politikerwut kann schönste Blüten treiben.

Legendäre Ausraster im Bundestag
    Ist es nur Sentimentalität, dass der folgende Satz aus dem März 1980 als eine Sternstunde der Schimpfkultur deutscher Politiker scheint? »Lassen Sie mich doch ausreden, Sie Düffeldoffel da!« Mit diesem eigenartigen, fast schon nett klingendenAusdruck wies SPD-Fraktionschef Herbert Wehner in einer Plenarsitzung des Bundestags Helmut Kohl in die Schranken. Gleichwohl hört man von Politikern auch aktuell beachtlich saftige Ausdrücke wie »Chefidiot«, »Dampfnudel«, »Petersilien-Guru«, »Selbstbefriediger« oder den sehr einleuchtenden »Generalschwätzer«. Das beweist, die sprachliche Kreativität der Politiker hat nicht gelitten. Durch die Häufigkeit von Schimpfwörtern im Politischen einerseits und die immer häufigere Verwendung der Umgangssprache im Bundestag andererseits heben sich die Einzelleistungen der Schimpfenden weniger strahlend ab, als das früher der Fall war.
    Bücher bieten Hunderte von Beispielen aus den inzwischen über sechzig Jahren Bundestagsreden. Hier sollen ein paar Beispiele genügen. Immer wieder mussten sich »Intellektuelle« – für Konservative über Jahrzehnte ein starkes Schimpfwort – Häme, Spott und Beschimpfung im Hohen Haus gefallen lassen. So höhnte Bundeskanzler Ludwig Erhard am 9. Juli 1965 über 25 deutsche Autoren, die ein Plädoyer für einen Regierungswechsel veröffentlicht hatten: »Da hört der Dichter auf, da fängt der ganz kleine Pinscher an!« Als Intellektueller, wenngleich nicht reinsten Wassers, fühlte sich durchaus auch Joschka Fischer von den Grünen, der 1984 die zweifellos bekannteste Bundestagsbeschimpfung äußerte: »Mit Verlaub, Herr Präsident, Sie sind ein Arschloch.« Die formvollendete Anrede, das »Sie« vor dem Knalleffekt verleiht dem Allerweltskraftausdruck besondere Wirkung, so dass Bundestagsvizepräsident Richard Stücklen Fischer für zwei Sitzungstage ausschloss.
    Weitere, weniger geläufige Zitate und Wörter aus Bonn, später Berlin gefällig?
»Dr. Amerikadenauer.« (Karl Renner, KPD, über Konrad Adenauer, CDU, 1950)
»Halten Sie doch den Mund! Professoraler Dummkopf!« (Herbert Wehner, SPD, über Manfred Abelein, CDU, 1979)
»Der redet mal so, mal so, wie der Bulle pisst.« (Bundeskanzler Helmut Schmidt, SPD, über Franz Josef Strauß, CSU, 1980)
»Sie sind eine Übelkrähe!« (Herbert Wehner, SPD, zu Jürgen Wohlrabe, CDU, 1970)
»Mini-Goebbels« (Dietmar Kansy, CDU, über Otto Schily, Die Grünen, 1983)
»Freches Luder« (Peter Ramsauer, CSU, über Kristin Heyne, Die Grünen, 1999)
»Mathilde schlägt, man glaubt es kaum, aus jedem Antrag schwarzen Schaum.« (Rudolf Schöfberger, SPD, über Mathilde Berghofer-Weichner, CSU, 1992)
»Dem Bürscherl hätte man rechtzeitig Kunstdünger in die Schuhe schütten müssen.« (Franz Josef Strauß, CSU, über Kurt Biedenkopf, CDU, 1976)
»Sie können sich wahrscheinlich mit dem Titel

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