Holz und Elfenbein
Bruders voll ausgefüllt. Sie waren sich aber auch so ähnlich, was es ihnen immer leicht gemacht hatte sich auf der gleichen Ebene zu verständigen.
Wieder öffneten sich die grauen Flügeltüren aus Stahl um einen erneuten Schwall von Passagieren hindurchzulassen. Mitten unter ihnen Catherine, die suchend den Kopf hin und her wandte, ihn versuchte in der Menge der Wartenden auszumachen. Sie war schon immer etwas betriebsblind gewesen und obwohl ihr Blick ihn mit Sicherheit zweimal streifte, zeigte sich kein Zeichen des Wiedererkennens auf ihrem Gesicht. Dabei achtete sie nicht auf den Geschäftsmann vor ihr, der seine Schritte verlangsamt hatte und prompt fuhr sie ihm mit ihrem Gepäckwagen in die Hacken.
Alexis lächelte in sich hinein. Sie war auch schon immer etwas tollpatschig gewesen und als sie sich nun in gebrochenem Französisch bei dem Mann entschuldigte, färbten sich ihre Wangen vor Aufregung leicht rötlich. Also fand er doch noch die letzten Reste des kleinen Mädchens in ihr. Sie hatte sich nicht gänzlich verändert, das war irgendwie beruhigend zu wissen. Hieß es doch, dass auch er sich in den vergangenen Monaten nicht zu einem Fremden verwandelt hatte, egal was geschehen sein mochte, egal wie oft er von Bekannten und Freunden hörte, er hätte sich verändert.
Bevor Catherine jedoch noch weitere Passanten verletzte, ging er ihr entgegen.
»You‘re completely out of your mind, imoutochan« , bescheinigte er ihr mit Blick auf das Gepäck, das wie er erst jetzt sah, aus einem kleinen Koffer und einem um so größeren Fechtsack bestand. Sie hatte tatsächlich ihre komplette Fechtausrüstung nach Genf gebracht!
»Alex!« Catherines Gesicht leuchtete förmlich auf und überschwänglich warf sie sich ihm in die Arme. Gerade noch konnte Alexis verhindern, dass er den Kaffee über seinen Mantel und ihre Jacke verschüttete.
»Comment ç a va, mon frère? Où est Federico, il n´est pas ici?«
Überrascht antwortete er: » Ç a va bien, merci. Quand est-ce que tu apprends le français? Tu toujours adores les langues asiatiques, mais n´es pas les européennes, n´est-ce pas?«
»Ich vermute stark, du möchtest wissen, warum ich Französisch spreche?«, erkundigte sich Catherine nun unsicher auf Englisch.
»Eher, wann du Französisch gelernt hast, wo du doch schon immer so ein Faible für die asiatischen Sprachen hattest.« Sie hatte nie etwas von den Sprachen des europäischen Festlands wissen wollen, aber Catherine sprach sowohl Japanisch als auch Chinesisch fließend.
»Gareth hat mir ein paar Brocken beigebracht. Ich wusste nicht, dass er Französisch kann. Du etwa? Gareth schient ein Mann mit vielen Talenten zu sein«, fügte sie kokett hinzu. Eines ihrer kleinen Spielchen. Catherine und Michelle vermuteten schon lange, dass Alexis mehr über den privaten Sekretär ihres Vaters wusste, als er je zugegeben hatte.
»Dad wird schon wissen, warum er ihn angestellt hat«, erwiderte Alexis ausweichend. Er würde Gareth nicht an den Pranger stellen, wahrscheinlich ahnte sein Vater nicht einmal, dass sein Butler schwul war und es war auch besser, wenn die Mädchen dies nicht wussten. Vor allem nicht, wie Alexis zu dieser Entdeckung gelangt war... Nein, diesen Gedanken würde er nicht weiterdenken, auch wenn es eine lustige Sache... Ah, nein.
»Federico wird deine Mühe zu schätzen wissen, aber glaub mir, sein Englisch ist durchaus gut genug, dass er sich mit dir unterhalten kann«, versicherte ihr Alexis, während er es übernahm den Gepäckwagen durch die Passagiere und Wartenden zu manövrieren und Catherine an ihrer Latte nippte. Aber natürlich hatte sie sich ein paar französische Phrasen zurechtgelegt. So waren sie erzogen worden, es war ein Zeichen des Respekts und der Achtung gegenüber eines fremden Landes, das man besuchte. Nichts ermöglichte einen besseren Einstieg in Verhandlungen als die ehrliche Bezeugung von Interesse an dem jeweiligen Verhandlungspartner, pflegte ihr Vater stets zu sagen.
»Dann bin ich beruhigt... und was soll das überhaupt heißen, ich wäre nicht mehr bei Sinnen?«, spielte sie auf Alexis‘ unorthodoxe Begrüßung an.
»Als ob du das nicht wüsstest. Was schleppst du deine Fechtsachen mit?«
»Ich brauche sie doch in England.« Catherine würde nicht mehr nach Singapur zurückfliegen. »Jetzt wo ich anfange zu studieren, darf ich endlich so viel trainieren wie ich möchte.« Das war eine Bedingung ihrer Eltern gewesen, dass Catherine, obwohl so ein viel
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