Holz und Elfenbein
festen Freund konfrontiert hatte, der auch mit ihm zusammenlebte. Selbst Alexis war unsicher wie die Reaktion seiner Eltern und Geschwister ausfallen würde.
»Professor Noblet hat mir heute übrigens eine Mail geschrieben«, berichtete Claude, betont beiläufig, und ließ sich mit gekreuzten Beinen auf dem Boden nieder, während Federico noch den letzten Treffer beurteilte und dann den Endstand bekanntgab.
»Wirklich?« Federico setzte sich ebenfalls. »Und?« Noblet war der Dirigent des Orchesters des Konservatoriums. Nur den besten Musikern unter den Studenten war es gestattet dort mitzuspielen und das Konservatorium bei Auftritten rund um den Globus zu vertreten.
Claudes Grinsen wurde noch breiter. »Vor dir sitzt das neue Mitglied der zweiten Violinen!«, verkündete er triumphierend.
Federico gratulierte ihm von Herzen, er wusste, dass sich Claude dies immer gewünscht hatte. So gerne wollte er in einem großen Orchester mitwirken und arbeitete seit gut einem Jahr gezielt auf die Aufnahme hin. Ganz anders als Federico war Claude eben kein Solist, sondern liebte die Zusammenarbeit mit anderen Musikern und ihren Instrumenten.
»Das muss in der Tat gefeiert werden.«
»Was muss gefeiert werden?« Jérôme stand hinter ihnen und Federico erzählte ihm von Claudes ›Beförderung‹.
Was Jérôme prompt dazu veranlasste seinen Freund in die Höhe zu ziehen und ihn in die Arme zu schließen. So viel zu Federicos Befürchtungen, die beiden hätten Probleme. Claude lachte als Jérôme ihm etwas ins Ohr raunte. Was nicht gerade unbeachtet blieb und zwei Fechterinnen blickten die Männer mit fast schon verträumten Blicken an. Federico hatte dieses Phänomen schon häufiger beobachten können und fragte sich insgeheim, warum dem so war. An dem Gerücht, dass sich jede Frau einen schwulen besten Freund wünschte, schien in der Tat etwas Wahres dran zu sein.
Claude und Jérôme verschwanden dann für ein paar Minuten aus Federicos Blickfeld. Er selbst würde später noch fechten, wenn die anderen gegangen waren. Da Alexis wahrscheinlich nicht mehr vorbeikommen würde, musste sich wohl oder übel Jérôme um ihn kümmern. Mehr als drei Gefechte an einem Abend mutete Federico seiner Hand nicht zu, schon so spürte er es am nächsten Tag bei ganz alltäglichen Handgriffen wie dem Zähneputzen oder wenn er einen schweren Gegenstand trug. Auch focht er nicht mehr gegen ungestüme Gegner, deren Aktionen sein Handgelenk übermäßig beanspruchten. Jérôme und Alexis konnten sich zurückhalten und fochten einen sauberen Stil. Die perfekten Gegner für ihn. Allerdings schien Jérôme wohl in den nächsten Minuten beschäftigt zu sein und so jurierte er nochmals ein Gefecht als Obmann.
»Halt. Kreisparade und Riposte von rechts nach links. Prêtes ?... Allez !« Er bedeutete den Fechtern weiterzumachen.
»Kein Schlagstoß von links nach rechts?«, erkundigte sich jemand mit einem schweren englischen Akzent neben ihm.
Federico hatte kaum Zeit den Kopf zu drehen schon klirrten wieder die Klingen und er musste seine Aufmerksamkeit auf den Kampf richten. »Nein, Alain war zwar in Linie, aber Jean hat pariert und gleich die Riposte gesetzt. Alain hat dann nur mitgestoßen. Eigentlich ziemlich eindeutig.«
»Ach so.« Es klang belustigt.
Endlich wandte er sich der fremden Stimme zu. Neben ihm stand eine junge Frau in Fechtkleidung und sie kam ihm vage bekannt vor. Nur vermochte er sie nicht sogleich einzuordnen. Sie grinste ihn breit an und es kam ihm so vor, dass sie ihn mit ihrer Frage nur hatte testen wollen. Erst als sie sich etwas drehte und er den Aufdruck auf ihrer Weste lesen konnte, fiel der Groschen. ›Arrowfield, GBR‹, war da auf der Elektroweste angebracht.
Alexis hatte ja erzählt, dass Catherine bereits auf internationalem Parkett gefochten hatte. Darum auch der Aufdruck auf ihrer Weste und die Nationalflagge, die auf der Hose aufgestickt war.
»Catherine? Ich dachte, Alexis holt dich vom Flughafen ab?«, platzte es entgegen aller Manieren aus ihm heraus. Er wusste zwar, dass sie ebenso wie Alexis fechten konnte, aber er hätte doch nicht gedacht, dass sie gleich nachdem sie in Genf gelandet war in den Club kommen würde. Noch dazu in der festen Absicht zu kämpfen. »Ich meine... Salut ... Entschuldige, aber was machst du hier?«
Catherine lachte hell auf, wobei sich Federico nicht erklären konnte, was denn so lustig sein sollte.
»Oh Alex, er ist so erfrischend ehrlich!«, wandte sie sich an ihren
Weitere Kostenlose Bücher