Holz und Elfenbein
Bruder, der nun zu ihnen stieß und ebenfalls zum Fechten umgezogen war.
»Das soll nur heißen, dass sie dich mag.« Alexis hatte wohl Federicos verwirrten Blick bemerkt.
»Natürlich mag ich ihn.« Catherine grinste Federico mit einem Lächeln an, das ihn unwillkürlich an Alexis erinnerte. Es gab keinen Zweifel daran, dass die beiden Geschwister waren, trotz der völlig verschiedenen Haar- und Augenfarben. Catherine hatte hellbraune Haare und ebenso braune Augen. Ganz anders als Alexis mit seinem schwarzen Haarschopf und diesen intensiv blauen Augen. Das Lachen jedoch und auch die Haltung, da konnte er durchaus Gemeinsamkeiten feststellen.
»Catherine besteht auf ein Duell, deswegen sind wir hier.«
»Ich hoffe, es stört dich nicht, dass ich hier bin.« Sie schien es Federico nicht übel zu nehmen, dass er sie nicht sofort erkannt hatte. Doch zu seiner Verteidigung sei gesagt, dass er sie bis jetzt nur von den Übertragungen der Webcam her kannte.
»Und ich wollte mich davon überzeugen, ob du wirklich etwas vom Fechten verstehst.«
Federico kam sich zunehmend vor wie ein Stein, der unter eine Gerölllawine geraten war. Catherine und Alexis hatten eine Eigendynamik an sich, die ihn leicht überforderte.
»Wundervoll, dass du jemanden kennen gelernt hast, dem man nicht erst erklären muss, was der Unterschied zwischen einem Florett und einem Degen ist. Außerdem will ich auch einen Freund, der mir einen Fechthandschuh mit Initialen zu Weihnachten schenkt!«
»Ahm...« Bevor Federico hierauf etwas erwidern konnte, schnitt ihm Alexis schon das Wort ab: »Du wirst nicht gegen ihn kämpfen.«
»Das kann ich wohl selbst entscheiden!«, versuchte sich Federico bemerkbar zu machen.
»Genau Alex, Federico ist alt genug das selbst zu entscheiden.«
»Sie kann sich überhaupt nicht zurückhalten, wen sie einmal auf der Planche steht. Das tust du dir besser nicht an.«
»Das lass ruhig meine Sorge sein... Also ihr wollt fechten? Soll ich jurieren?«
»Ich bitte darum!« Catherine ging schon zu ihrer Seite der Fechtbahn und Alexis sah Federico flehenden Blickes an. »Bitte lass mich nicht wie einen kompletten Verlierer aussehen. Sie gewinnt ja sowieso, aber lass mir wenigstens etwas Menschenwürde und gib mir ein paar Punkte.«
»Alex, bestichst du den Obmann?«, rief Catherine ihm zu.
»Willst du deinem alten Bruder denn nicht wenigstens einen kleinen Vorsprung gewähren?«, fragte Alexis. Sie testeten ihre Waffen an den Elektrowesten, grüßten Federico, der dies mit einem knappen Nicken quittierte und setzten ihre Masken auf.
»Jetzt stell dich nicht so an«, lautete die nicht gerade sehr feinfühlige Replik der kleinen Schwester. Sie stellte sich an die Markierung, hervorragende Haltung und sobald das Allez aus Federicos Mund gedrungen war, hob sie ihren Arm und ging auf Alexis los.
Der hätte den Vorsprung wahrlich dringend nötig gehabt, denn Catherine war eine überragende Fechterin. Selbst Jérôme bekam große Augen und verfolgte gebannt das Duell.
»Ihr Handgelenk, schau dir diese Beweglichkeit an«, schwärmte er.
Federico schüttelte den Kopf. »So wie du das sagst, klingt es irgendwie pervers, weißt du. Lass das bloß nicht Alexis hören.«
Das Duell zwischen Bruder und Schwester dauerte wohl kaum zwei Minuten, wenn überhaupt. Alexis trug die unvermeidliche Niederlage wie ein Mann und trotz seiner Nörgeleien, dass es peinlich wäre von der kleinen Schwester so abgezockt zu werden, war es ganz eindeutig geschwisterlicher Stolz als er Catherine nach ihrem Gefecht lachend in den Arm nahm und sie neckend an ihrem Pferdeschwanz zupfte.
Schon bald hatte sich der nächste Gegner für Catherine gefunden und sie schien sich prächtig zu amüsieren. In einem Mix aus Englisch und gebrochenem Französisch scherzte sie mit den übrigen Fechtern. Sie schien ein sehr offener, warmherziger Mensch zu sein. Eine Eigenschaft, die bei ihr viel stärker zu Tage trat als bei Alexis. Dieser ließ jene Charakterzüge nur gegenüber guten Freunden durchblicken. Catherine hatte auch nichts von der leicht arroganten Haltung, die Alexis stets trug. War dies also alles Alexis‘ Lebensstil und seinem Schwulsein im Speziellen geschuldet? Alexis hatte Federico gegenüber ja einmal gestanden, dass es in seinem Leben Stationen gegeben hatte, die ihn geradezu gezwungen hatten sich ein dickes Fell und diesen Schutzpanzer aus Arroganz anzueignen. Federico wusste von einem Wettbewerb, den Alexis nur deshalb nicht gewonnen
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