Holz und Elfenbein
versprechendes Talent im Fechten, ihre schulische Laufbahn nie vernachlässigen sollte.
»Wo wir gerade davon sprechen, ist Federico etwa beim Training?«
Er kannte diesen Tonfall nur zu gut und blickte in ihr Gesicht, das eine ach so unschuldige Mine trug. »Du willst doch nicht etwa jetzt fechten gehen? Bist du nicht müde vom Flug?«
»Ach was, etwas Bewegung ist genau das Richtige nach so vielen Stunden im Flugzeug. Außerdem habe ich während des Fluges geschlafen.«
Hier waren sich die Geschwister überhaupt nicht ähnlich. Alexis vermochte beim besten Willen nicht an Bord eines Flugzeugs zu schlafen. Er brachte es ja nicht einmal fertig dort etwas zu essen. Es war nicht direkt Flugangst, aber sonderlich wohl fühlte er sich so hoch oben auch wieder nicht.
»Es ist sicher in deinem Sinne, wenn wir es gleich hinter uns bringen, oder nicht?«, fügte Catherine süffisant hinzu.
»Ja, ich freue mich schon darauf«, gab er resigniert zurück.
Federico schüttelte in scheinbarer Missbilligung den Kopf als Claude gemütlich zu ihm herübergeschlendert kam. In der Hand hielt er eine Tüte vom Bäcker und an seinem Mundwinkel hing noch ein kleiner Brösel des Croissants, das er gerade vertilgt hatte. Alles in allem sah Claude nicht so aus als ob er heute am Training teilnehmen wollte.
»Machst du nicht mit?« Er deutete auf Claudes Lippen. »Du hast da noch was.«
»Ach, ich hab gedacht, ich schaue euch ein bisschen zu. Jetzt weg?« Claude wischte sich über den Mund und leckte sich die Brösel vom Finger.
»Du hast aber nicht gerade lange durchgehalten.«
»Na ja«, verlegen kratzte sich Claude am Kinn. »Es ist mir echt zu anstrengend und mir die komplette Ausrüstung zu kaufen, da habe ich auch keinen Bock drauf. Das ganze Zeug ist nicht gerade billig.«
»Wenn es das ist, Jérôme kann dir bestimmt was leihen.«
»Nein, lass mal. Ich glaube, dass ich einfach auch zu ungelenk dafür bin«, Claude winkte ab. »Außerdem kann ich euch so viel besser in Aktion bewundern.«
»Du änderst dich auch nie.« Er hoffte, dass Claude und Jérôme keinen Streit hatten. Auch wenn Claude an jenem Abend, den Federico bei ihm verbracht hatte, behauptete hatte er und Jérôme hätten eine offene Beziehung, Federico glaubte, dass sein Freund dennoch enttäuscht wäre, sollten sie sich trennen. Claude trottete ihm nach als Federico von einem Fechter an die Planche gerufen wurde, um bei einem Gefecht den Job des Obmanns zu übernehmen.
»Mir steht heute Abend viel mehr der Sinn nach feiern. Wir sollten in einen Club gehen! Immerhin haben wir alle unsere Prüfungen bestanden.«
Sie hatten heute die letzten noch offen stehenden Ergebnisse erhalten, sowohl Claude als auch Federico hatten alle ihre Prüfungen bestanden. Federico mit eher durchschnittlichen Noten, aber er hatte sich jetzt auch nicht unbedingt angestrengt was seine Vorbereitung für die Prüfungen anging.
Natürlich hatte Alexis auch bestanden, doch er hatte seine Noten schon vor einigen Tagen erhalten. Mit leichtem Schrecken dachte Federico daran, dass ihre Tage in Genf so langsam aber sicher gezählt waren. Die Prüfungen waren nun alle geschrieben und sobald Alexis seine Hausarbeit abgegeben hatte, würden sie nach England ziehen. Das war schon beängstigend, war dort für Federico doch alles und jeder fremd. Aber auf der anderen Seite wollte er auch nicht länger hier bleiben. Er brauchte einen Ortswechsel, um auch für sich einen Neuanfang wagen zu können.
»Könnt ihr nicht etwas deutlicher fechten?«, Federico rollte mit den Augen. »Kann mir mal einer sagen, was das für eine Aktion gewesen sein soll?«, wies er die beiden Fechter zurecht. Er rieb sich die Stirn. » Non valable ... Prêtes ?... Allez !«
Claude vertilgte den letzten Rest seines Croissants. »Also, was ist mit heute Abend? Ich dachte, du wolltest ohnehin bei mir übernachten, wegen Alexis‘ Schwester.«
Federico folgte den Fechtern mit wachem Blick.
»Ja, schon, aber ich weiß nicht, ob wir nicht noch zusammen essen gehen, oder sonst etwas geplant ist.« Federico hatte es Alexis noch nicht gesagt, aber er hielt es für besser, dass er so lange Catherine ihr Gast war, bei Claude schlief. Zumindest mal am Anfang. Zum einen fühlte er sich etwas unbehaglich bei dem Gedanken an eine dritte Person in der Wohnung, zum anderen konnte er sich vorstellen, dass es auch für Catherine etwas peinlich war. Immerhin hatte Alexis ja mehrmals betont, dass er seine Familie noch nie mit einem
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