Holz und Elfenbein
schlecht konnte es Michelle nicht gehen, denn sie hatte ebenfalls nach einem Kaffee verlangt und bekam sogar so langsam aber sicher Hunger, weshalb sie sich beeilten und schon keine Stunde später bei Sandwiches und Tee saßen.
Das Café war nicht so piekfein wie Federico insgeheim befürchtet hatte, die Bedienung bestand größtenteils aus Studenten, die hier jobbten, und auch die Kundschaft war überwiegend jüngeren Alters. Manche sahen sogar so aus als ob sie direkt von den Clubs kommen würden und noch gar nicht zu Hause gewesen waren. Es waren auch mehr Männer als Frauen hier, wobei an einigen Tischen auch gemischte Paare saßen, doch sie waren in der Minderheit und mit einem Mal ergab die unscheinbare Regenbogenflagge neben dem Eingang einen Sinn. Wussten Catherine und Michelle, dass sie hier in einem Treffpunkt der Schwulenszene saßen? Ja, sie wussten es der Art und Weise nach wie sie sich bedeutsame Blicke zuwarfen, wenn zwei Männer zusammen aufstanden und nach draußen gingen oder sonst irgendwelche Zeichen der Zuneigung austauschten.
»Ich wollte hier schon immer mal essen, endlich konnte ich Alexis dazu breitschlagen«, raunte Catherine ihrer Schwester zu und die nickte nur während sie äußerst konzentriert ihren Toast butterte.
Sie saßen zwar im hinteren Bereich des Gastraums doch Federico hatte dennoch einen guten Blick durch die großen Fenster an der Frontseite. Dort parkte gerade ein ihm wohlvertrauter silberner Sportwagen und wie von selbst zauberte sich ihm ein Lächeln auf die Lippen. Für Federico ging geradewegs die Sonne auf und die Zeit schien sich buchstäblich zu verlangsamen als Alexis durch die Tür des Cafés schritt und erst einmal stehen blieb als ob er den gesamten Raum einer eingehenden Musterung unterzog. Er sah grandios aus wie er so gelassen dastand in seiner perfekt sitzenden Hose und sportlichen Lederjacke und wie er jetzt lässig seine Sonnenbrille abnahm.
»Gott, muss er eine solche Show abziehen«, stöhnte Catherine.
Erst jetzt fiel Federico auf, dass alle Augen auf Alexis gerichtet waren. Er schien die Blicke der anderen Gäste geradezu anzuziehen. Wahrscheinlich wollte er genau das. Dann winkte Alexis zwei Paaren an den Fenstern zu, anscheinend Bekannte von ihm und grinste als er endlich Federico entdeckte hatte. Langsam, als ob er keine Eile kennen würde, kam er zu ihnen an den Tisch und sah zu Federico hinab, der ihn verdutzt anblickte. Noch bevor Alexis sich setzte oder seine Jacke ausgezogen hatte, beugte er sich zu Federico hinab, eine Hand an dessen Wange gelegt und küsste ihn vor allen anderen auf den Mund.
Erst danach, so schien es, verlief die Zeit wieder in gewohnten Bahnen und die Gäste nahmen ihre Gespräch erneut wieder auf. Doch so mancher blickte ab und an zu ihrem Tisch hinüber.
»War das wirklich nötig?«, erkundigte sich Michelle als Alexis seinen Tee bestellt hatte.
»Was denn?«, gab der scheinbar unwissend zurück.
»Jetzt dauert es keine vier Wochen mehr und dein Konterfei ziert irgend so ein Klatschblatt.« Catherine schüttelte genervt den Kopf.
»Du übertreibst. Als ob ich von so großem öffentlichem Interesse wäre. Außerdem war es doch ein offenes Geheimnis, dass ich schwul bin. Was ist jetzt anders wenn ich es auch einmal mit einem Mann an meiner Seite zeige.« Alexis lächelte Federico an.
› Wir brauchen uns für nichts schämen‹, sagte sein Blick und Federico lächelte zurück.
»Dann warne wenigstens Mum und Dad, nicht dass sie auf ihrem Rückflug durch die Illustrierten blättern und einen Schmierenbericht über dich lesen.«
Alexis murmelte etwas in der Art von »und wenn schon« in seine Teetasse und Federico fühlte ein nicht unerheblichen Gefühl von Stolz in seiner Brust. Alexis mochte schon viele Männer vor ihm gehabt haben, aber er war der Erste, mit dem sich Alexis in der Öffentlichkeit zeigte und das nicht nur in der kleinen Stadt und dem Dorf, zu welchem das Anwesen der Familie gehörte, wo es sowieso schon jeder wusste. Nein, hier in London wo Alexis so manche alten Freunde und Bekannte hatte.
»Geht ihr schon vor, ja?« Alexis warf Catherine die Autoschlüssel zu als sie das Café verließen. Catherine schien auf diese Gelegenheit schon lange gewartet zu haben, denn mit einem freudigen »Yes!« fing sie die Schüssel auf.
»Wollt ihr zu Fuß zurückgehen?« Michelle hatte sich von Alexis die Sonnenbrille ausgeborgt und setzte sie gerade auf. Sie schien doch noch etwas Kopfschmerzen zu
Weitere Kostenlose Bücher