Holz und Elfenbein
haben.« In diesem Stil klagte er noch weiter sein Leid, dass er jetzt mehr denn je auf Alexis‘ Unterstützung angewiesen wäre, wenn er sich den Operationen unterzog.
Mary-Alice sprach gar nicht viel. Sie wartete bis er sich wieder einigermaßen beruhigt hatte: »Das alles solltest du nicht mir, sondern Alex erzählen. Geh zu ihm. Der Arme wird sowieso nicht eher schlafen können, bis du bei ihm warst. Er macht sich auch Sorgen. Sprich mit ihm.«
Sie wischte ihm die Tränen von den Wangen. »Und glaub nicht, dass ich dich nur um Alexis‘ Willen mag. Du bist so ein liebenswerter Mensch.«
Da hätte er beinahe erneut begonnen zu weinen.
Alexis war in der Tat noch wach, Federico sah das Licht unter dem Türspalt. Leise öffnete er die Tür und huschte in das Zimmer hinein. Alexis saß im Bett und legte gleich das Buch beiseite, das er gelesen hatte. Natürlich sah er es Federico an, dass dieser noch Minuten zuvor geweint hatte.
»Komm her.« Alexis streckte eine Hand nach Federico aus und zog ihn unter der Bettdecke fest an sich. Er fragte nicht, was Federico denn bedrückte. Es war auch gar nicht nötig. Sie beide wussten genau, was für eine schwierige Entscheidung vor Federico lag und wussten auch um ihre Konsequenzen.
Alexis griff nach seinen Händen und betrachtete sie eingehend. Würden Narben zurückbleiben, dachte Federico unwillkürlich. Würde man es sehen? Und selbst wenn, es wäre nur ein geringer Preis, wenn er dafür wieder Klavier spielen könnte.
Schließlich drückte Alexis auf jede Hand einen Kuss. So lagen sie da, hielten einander fest und blickten sich tief in die Augen. Es war wie ein Schwur und noch einmal bekräftigte Alexis damit seine Worte vom Nachmittag. Gleichgültig, was Federico auch tun würde, wie er sich entscheiden würde. Gleichgültig, was die Zukunft für ihn bringen würde. Eines war gewiss, er war nicht alleine.
26
»Ja... und sonst?«
»Und sonst...« Federico drehte den Kopf und ließ seinen Blick über die Einfahrt mit ihrem säuberlich geharkten Kiesweg schweifen. Er saß auf der breiten Fensterbank aus Holz, die mit weißem Leder bezogen war und überhaupt sein Lieblingsleseplatz in seinem Zimmer geworden war. Die Fenster waren selbstredend nach neuestem Stand der Technik isoliert, so dass er keinen kalten Luftzug von Außen fürchten musste.
»Was soll ich sonst tun, wenn mein Arm eingegipst ist? Ich sitze die meiste Zeit hier rum.«
»Hört sich richtig aufregend an«, Claude, der sich am anderen Ende der Leitung befand, seufzte mitfühlend. »Ist Alexis wenigstens bei dir?«
»Er steht kurz vor seiner letzten Prüfung also ist er auch nicht so oft da und wird jetzt auch häufiger die Wochenenden in London bleiben. Jetzt wo seine Schwester und ihre Familie auch bald wieder abreisen.« Mary-Alice würde gegen Ende der Woche nach Kopenhagen zurückkehren. Federico wusste zwar, dass es unvermeidlich war, doch war er recht betrübt darüber. Eric, Mary-Alices bessere Hälfte, war wie ein guter Kumpel für ihn geworden. Sie waren oft stundenlang mit den beiden Hunden und dem kleinen William durch die Landschaft gestapft.
Außerdem hatte er William sehr lieb gewonnen. Federico hatte nie gedacht, dass er einmal gut mit Kindern könne. William zeigte eine außerordentliche Begeisterungsfähigkeit für das Klavierspiel. Seine Eltern hatten ihm zum letzten Geburtstag ein kleines Keyboard geschenkt und dieses Instrument war seitdem William liebstes Spielzeug. Federico hatte dem Jungen inzwischen Notenlesen beigebracht und ihn einfache Stücke auf dem Flügel spielen lassen. Die Arrowfields hatten einen echten Steinway im Erdgeschoss stehen. Es war im Grunde genommen eine Verschwendung. Einen Steinway im Wohnzimmer und keiner, der darauf musizierte. Ein Jammer! Wie hatte er sich damals am Konservatorium gewünscht nach Belieben über einen eigenen Flügel verfügen zu können. Jetzt konnte er es, noch dazu über einen Steinway! Doch durfte er nicht mehr spielen. Welche Ironie.
»Stell dir vor Claude: Alexis hat sogar eine Agentur, die für ihn Konzerttermine vereinbart! Ich hatte ja keine Ahnung, dass er hier in England so bekannt ist. Erst letzte Woche hat er wieder eine Anfrage für eine CD-Aufnahme bekommen und nach der Prüfung wird er wohl für eine Konzertreise in die USA gehen.«
»Scheint ja wirklich sehr gut für ihn zu laufen.«
»Allerdings.« Davon abgesehen, spürte Federico sehr genau, dass Alexis seit ein paar Wochen noch irgendetwas ausbrütete, das
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