Holz und Elfenbein
sind das denn?«
Seine arme, erzkonservative Tante konnte und wollte es nicht wahrhaben, was Federico ihr in seinem letzten Brief angedeutet hatte. »Es sind die Eltern von meinem... Freund.« Das letzte Wort kam nach kurzem Zögern über die Lippen.
»Was für ein Freund soll das sein? Und warum nehmen dich diese Leute einfach so auf? Das geht doch nicht mit rechten Dingen zu.«
Federico konnte sich bildlich vorstellen, wie Tante Martha nun mit dem linken Fuß aufstampfen würde.
»War er das gerade am Telefon?«
»Nein, das war nur der Butler.« Federico wusste, wie bescheuert sich das anhören musste und sogar seine Tante verstummte kurz bei diesen Worten.
»Butler?«, wiederholte sie skeptisch, sie dachte wohl, er würde ihr einen Bären aufbinden.
»Alexis und seine Eltern sind sehr wohlhabend«, versuchte er zu erklären.
»Hm! Aber...«
»Und er ist mein Partner.«
»Wie?«
Federico seufzte: »Ich habe es dir doch in meinem letzten Brief geschrieben: Ich liebe Alexis.« Na ja, so eindeutig hatte er es nicht formuliert.
Die Stille in der Leitung war förmlich greifbar.
»Ich bin schwul.«
»Mamma Mia !«, rief Martha aus als sie endlich verstand. »Wie konnte das nur passieren? Er muss dich verdreht haben, ja, so muss es sein...« Da wurde ihre Stimme plötzlich leiser und es schien als ob jemand anderes den Telefonhörer an sich genommen hatte.
»Federico, was jagst du meiner Mutter so einen Schreck ein!« Christina hatte ein Erbarmen mit ihm und sprach Englisch, sie wusste wie schwierig er sich mit dem Italienischen tat. Sie klang keineswegs vorwurfsvoll, eher belustigt. Wahrscheinlich hatte sie schon längst die richtigen Schlüsse gezogen und sie war – Gott sei Dank – bedeutend liberaler als ihre Mutter.
»Du kannst es ihr ruhig nochmal sagen, ich bin schwul und daran ist weder Alexis schuld noch der liebe Gott, oder sonst wer.« Er hörte seine Tante nämlich bereits im Hintergrund irgendwelche Gebete rezitieren. Wäre es nicht so ernst, könnte er fast darüber lachen.
»Mach dir keine Sorgen, sie beruhigt sich schon wieder.«
»Beruhigen, den Teufel werd ich tun!«, warf Martha dazwischen. »Der Junge muss nach Hause kommen, subito !«
»Sag ihr, dass ich volljährig bin und tun und lassen kann, was ich will.«
Gehorsam übersetzte Christina und prompt folgten die nächsten Flüche. Nach weiteren fünfzehn Minuten dröhnte ihm der Kopf und seine Italienischkenntnisse waren um einige eindrucksvolle Kraftausdrücke bereichert worden.
Vielleicht sollte er über die Sommermonate wirklich einige Zeit bei seiner Tante verbringen. Wenn sie bemerkte, dass er im Grunde noch immer der Alte war, würde sie sich womöglich eher mit dem Gedanken anfreunden können, dass er homosexuell war. Außerdem lag das Dorf, in welchem schon seine Mutter aufgewachsen war, direkt an der Küste und der Strand war malerisch. Es wäre besonders schön, wenn Alexis ihn nach Sizilien begleiten könnte. Aber zum einen hatte Alexis seine Verpflichtungen in den USA und würde wohl fast bis zum Winter dort bleiben. Und zum anderen würde Tante Martha wahrscheinlich mit dem Nudelholz und der ganzen Wucht ihrer hundert Kilo auf Alexis losgehen. Der Arme.
Gedankenverloren hatte er sich einen Stift vom Schreibtisch genommen und begonnen ihn zwischen den Fingern her und her zu wirbeln. Als er es bemerkte, lächelte Federico. Auch diese neckischen Übungen gehörten zu seiner Therapie. Am Anfang hatte er es für einen Witz gehalten als er eine Münze über die Finger wandern lassen sollte, so wie man es in Filmen sah, wo die Helden abgebrüht am Pokertisch saßen und mit den Jetons herumspielten. Doch so lange er seine Geläufigkeit nicht am Klavier trainieren konnte, war es durchaus ein guter Ausgleich und Federico war überrascht wie flüssig seine Finger sich inzwischen bereits bewegten. Und das Wichtigste: Er hatte dabei keinerlei Beschwerden!
Er vernahm Schritte auf dem Gang und schon klopfte es an seiner Tür. Doch es war nicht Alexis, der sich für seinen geschmacklosen Kommentar von zuvor entschuldigen wollte, sondern Gareth. So langsam bekam Federico auf den Butler eine ziemliche Wut.
»Was ist jetzt wieder?«, herrschte er den jungen Mann an.
Doch Gareth wollte nur den Wasserhahn reparieren und geruhte ihn dann zu informieren, dass sie das Abendessen eine Stunde früher einnehmen würden. Alexis‘ Eltern hatten wohl noch irgendwelche gesellschaftliche Verpflichtungen, denen sie nachkommen mussten; und zum
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