Holz und Elfenbein
entgehen Alexis brüsk aus dem Weg zu stoßen als er in sein Zimmer gegenüber flüchtete.
Alexis ging in das Klavierzimmer hinab und sammelte seine Noten ein. Es hatte keinen Sinn, dass er länger hier blieb. Üben würde er hier ohnehin nicht können.
»Mum, Dad, es tut mir leid, dass ihr das mitanhören musstet«, verabschiedete er sich bei seinen überraschten Eltern, die jetzt im Salon saßen, und es waren mehr als nur leere Worte. Es war ihm geradezu peinlich. Immerhin war er 27, bald 28, verdammt er wurde so langsam wirklich alt, und seine Eltern gingen seine Liebschaften im Grunde nichts an und wenn es Probleme mit Federico gab, dann mussten sie beide sie alleine lösen.
Natürlich versuchten sie ihn zum Bleiben zu überreden. Doch Alexis wusste nur zu genau, dass er und Federico sich dann nur weiter irgendwelche Gemeinheiten an den Kopf geworfen hätten. Besser sie brachten etwas Raum zwischen sich. Seine Eltern bat er indes, Federico nicht darauf anzusprechen.
»Es tut mir leid, Alex.« Gareth passte ihn in der Eingangshalle ab und half Alexis‘ in dessen Jacke.
› Alex‹, er hatte ihn Alex genannt, wie damals. Alexis kämpfte die aufkeimende Erinnerung an jenen Abend schnell wieder zurück.
»Dich trifft ganz gewiss keine Schuld, also mach dir bitte keine Gedanken.« Alexis schüttelte den Kopf und wollte an dem Butler vorbeigehen, doch Gareth legte ihm eine Hand auf die Schulter und hielt ihn zurück.
»Du bist manchmal wirklich zu gutmütig, Alex. Du hättest es ihm sagen müssen, er ist dein Partner.«
»Wenn ich ehrlich bin... Ich glaube, Federico hätte genauso reagiert, egal ob ich es ihm gesagt hätte oder so wie es heute ans Licht gekommen ist.«
»Es fällt ihm nicht leicht...« Gareth ließ es offen, was er damit genau in Hinblick auf Federico meinte.
»Ich kann es ihm nicht verübeln.«
»Ich kann ihn verstehen«, Gareth lächelte wehmütig »Für eine gewisse Zeit ging es mir ganz genau so.«
Insgeheim hatte sich Alexis immer gefragt, ob Gareth häufiger in Schwulenbars oder Clubs ging und sich dort auf One-Night-Stands einließ. Gareth hatte schließlich ihm gegenüber noch nie von einem Freund gesprochen. Doch diese letzten Worte, konnten sie wirklich das bedeuten, was er glaubte, dass sie bedeuten sollten? Hatte Federico etwa recht? War Gareth in ihn verliebt?
Gareth legte dem erstaunten Alexis einen Finger an die Lippen, bedeutete ihm kein Wort mehr zu sagen.
»Fahr vorsichtig«, dann küsste er ihn flüchtig auf die Wange.
»So, jetzt kneifst du den Schwanz ein und fährst zurück nach Lon...« Federico bog gerade um die Ecke und erstarrte zur Salzsäule. Alexis ahnte, wie es für ihn aussehen musste. Gareth, der so dicht an ihm stand, eine Hand auf Alexis‘ Schulter gelegt. Der Kuss, so unschuldig er auch gewesen sein mag. Alexis selbst, dem vor Schreck seine Autoschlüssel aus der Hand gefallen waren.
»Federico, es ist nicht so...« begann Alexis schwach und wollte einen Schritt auf seinen Freund zugehen. Doch der drehte sich ohne ein weiteres Wort um und ging wieder zurück auf sein Zimmer.
Sein Schweigen war fast noch schlimmer als jedes noch so laute Brüllen.
28
»Nervös?«
»Ich doch nicht!«, schnaubte Alexis. Doch so richtig überzeugend war er dabei nicht. Das fiel natürlich auch Catherine auf und bedachte ihn mit einem mitleidigen Blick, während sich Alexis mit einem tiefen Seufzen auf seine Couch warf. Er faltete die Hände über seinem Magen, der wahrhaftig Purzelbäume schlug. Er war so nervös wie ein Schuljunge vor seiner ersten Klassenarbeit oder wie ein Teenager vor seinem ersten Kuss. Er, der schon an der größten Kirchenorgel der Welt konzertiert hatte. Er, der ein ganzes Konzert ohne Notenblätter bestreiten konnte, weil er einfach improvisierte. Und jetzt stand so eine läppische Prüfung bevor und er begann durchzudrehen! Das war einfach nicht richtig.
Alexis kannte Musiker, die jahrelang ihr Lampenfieber gut im Griff hatten und dann auf einmal nicht mehr das nötige Nervenkostüm aufwiesen, um den Belastungen länger Stand zu halten. Erging es ihm nun ebenso?
»Weißt du, wenn du Federico...«, begann Catherine.
Alexis schloss die Augen. Ja, das war im Grunde die Wurzel des Problems. Zwar gab er es nicht offen zu, doch es belastete ihn, dass er und Federico im Streit auseinander gegangen waren. Aber dann war Alexis auch wieder zu stur, um zu Hause anzurufen. Besser gesagt, er rief schon bei seinen Eltern an, doch dann nur zu Zeiten wo
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