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Holz und Elfenbein

Holz und Elfenbein

Titel: Holz und Elfenbein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanya T. Heinrich
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aufzubrechen. Doch schließlich siegte die Neugier und er zog zwei Flugkarten und eine Buchung für ein Hotelzimmer aus dem Umschlag. Zuerst konnte er sich keinen Reim darauf machen und dachte es wären Tickets für eine Urlaubsreise, doch dann blickte er genauer auf das Datum der Tickets und der Reservierung. Dann der Zielort: Warschau.
    »Wenn du nicht gerade Urlaub in Polen machen willst, dann weiß ich nicht«, begann Federico und verstummte abrupt. Er warf nochmals einen Blick auf das Datum.
    »Nein!« Er schüttelte den Kopf. »Wie kannst du? Was soll das bedeuten?«
    Entweder war es ein sehr makaberer Scherz, den Federico gar nicht erst verstehen wollte, oder aber...
    »Du weißt ganz genau, was nächstes Jahr im Oktober in Warschau stattfinden wird.« Alexis hob Federicos Kinn an und zwang ihn den Blick von den Flugtickets zu lösen.
    »Der Chopin-Wettbewerb«, hauchte Federico fast unhörbar. »Aber warum?«
    »Du wirst daran teilnehmen.« Als ob es die größte Selbstverständlichkeit wäre, so leichthin kamen Alexis diese Worte über die Lippen.
    »Aber... ich weiß doch noch gar nicht... was ist wenn...«, stammelte Federico und war gänzlich fassungslos. Natürlich waren noch mehr als zwölf Monate Zeit bis zum Finale des Wettbewerbs doch Federico wusste auch, dass die wirkliche Arbeit noch vor ihm lag. Nachdem die Schwellungen der Operation an seiner linken Hand abgeklungen und die Hand ausreichend gekräftigt war, würde er erstmals wieder Klavier spielen dürfen. Man hatte Federico bereits im letzten Jahr – allerdings vor seinem Zusammenbruch – als sicheren Anwärter auf den Sieg des Chopin-Wettbewerbs gehandelt. Doch niemand wusste, ob er zu seiner alten Form wiederfinden würde.
    Niemand, außer Alexis, so schien es. Alexis hatte wohl keinerlei Zweifel, dass Federico seine Karriere genau da fortführen würde, wo er sie beendet hatte. Alexis schien keinerlei Zweifel zu haben, dass Federico die Bewerbung und das erste selektive Vorspiel bestehen und in die aufreibende Finalrunde einziehen konnte, die sich fast drei Wochen hinziehen würde.
    »Häng dir die Karten übers Bett«, riet Alexis, »dass du immer weißt, warum du diese Mühen und Strapazen auf dich nimmst. Du warst der beste Pianist, den ich je gesehen habe und du wirst es wieder sein.«

    Das tat Federico in der Tat und so verging kein Tag, an welchem er nicht auf diese Tickets gestarrt hätte. Mehr als einmal war er so weit gewesen die Physiotherapie aufzustecken. Statt, dass er sich an ein Klavier setzen durfte musste er zunächst endlose Stunden damit verbringen seine Finger zu kräftigen. Das Narbengewebe in seiner Hand musste trainiert werden, war es doch von Natur aus nicht so geschmeidig und elastisch wie normales Gewebe. Man hatte ihm strikt verboten überhaupt auch nur eine Taste auf einem Klavier zu drücken. Alexis war sogar so weit gegangen, dass er den Steinway, der bei seinen Eltern stand, abgeschlossen und den Schlüssel Gareth anvertraut hatte. Alexis wusste genau, dass es Federico nie im Leben einfallen würde ausgerechnet den Butler um einen Gefallen zu bitten.
    Im Dezember hatte sich Federico dann damit abgefunden und so traf ihn die Eröffnung während seiner letzten Therapiestunde vor dem Weihnachtsfest wie einen Blitz aus heiterem Himmel: »Versuchen Sie doch mal über die Feiertage etwas Klavier zu spielen. Ein paar Weihnachtslieder, vielleicht?«
    »Bitte?« Federico hatte geglaubt sich verhört zu haben.
    Nie hätte er es für möglich gehalten, dass er regelrechte Angst davor hatte sich vor das Klavier zu setzen. Wie würden seine Finger reagieren? Wie würde es sich anfühlen? Fast erwartete Federico diesen vertrauten, sengenden Schmerz, dass er wiederkehren würde. Es war wohl eher eine Kopfsache, denn sowohl der Physiotherapeut als auch Dr. Rhys-Weeks bestätigten ihm, dass rein organisch seine Hände nicht besser darauf hätten vorbereitet sein könnten. Und so langsam war es auch Zeit dafür, wenn er denn wirklich am Chopin-Wettbewerb teilnehmen wollte. Die erste Stufe des Wettbewerbs bestand aus einer Videoaufzeichnung bestimmter Stücke, die dem Komitee vorgelegt werden musste. Die Etüden und Nocturnes, Walzer und Polonaisen kannte Federico alle, er hatte sie alle bereits als Student eingeübt und er traute sich auch zu, dass er sie noch immer spielen konnte. In seinem Kopf war er sie bereits schon mehrmals durchgegangen. Sozusagen als mentales Training. Jeder Tempowechsel, jeder besondere Fingersatz

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