Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Holz und Elfenbein

Holz und Elfenbein

Titel: Holz und Elfenbein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanya T. Heinrich
Vom Netzwerk:
war ihm noch geläufig. Einzig fehlte ihm jetzt noch der Mut es am Klavier auszuprobieren.

    In diesem Jahr feierten die Arrowfields das Weihnachtsfest auf ihrem Landsitz in England. So war nicht nur Alexis aus den USA zu ihnen gekommen, sondern auch die mittlerweile hochschwangere Mary-Alice mit ihrer Familie. Nicht zu vergessen Catherine und Michelle, nebst einer Handvoll anderer Verwandten, die Federico bis jetzt noch nie gesehen hatte. Jedes Gästezimmer, jedes Bett im Haus war belegt und sie waren an Heilig Abend lange wach geblieben. Während des Abends war Federicos Blick immer wieder zu dem schwarzen, imposanten Flügel geschweift, der in der Ecke des Salons stand. Alexis hatte tatsächlich ein paar Weihnachtslieder angestimmt und William hatte stolz seine Fortschritte präsentieren wollen. Doch Federico hatte sich nicht überwinden können. Er hatte den Arrowfields noch nichts davon erzählt, dass er den ›Freifahrtsschein‹ erhalten hatte, es würde ihn nur noch mehr unter Druck setzen.
    Die ganze Nacht hatte er darüber nachgedacht und hätte Alexis nicht so viel vom Punsch genascht, wäre ihm mit Sicherheit Federicos grüblerische Miene aufgefallen. So jedoch war es Alexis gewesen der nach einem Blowjob – das war für Federico mittlerweile ein regelrechtes Vergnügen, seinen Partner mit dem Mund zu verwöhnen – müde, satt und befriedigt die Augen geschlossen hatte. Alexis erwachte auch nicht als Federico am Morgen aufstand, weil seine Blase drückte. Als er von der Toilette zurückkam, zögerte er die Tür zu Alexis´ Zimmer zu öffnen. Er starrte zu der Treppe, die in das Erdgeschoss führte. Bevor er noch lange darüber nachdachte, tappte er zum Salon. Der Steinboden war angenehm warm unter seinen bloßen Füßen. So eine Fußbodenheizung hatte unbestreitbar ihre Vorzüge.
    Federico schaltete die Beleuchtung ein. Da stand er. Dieses glänzende schwarze Monstrum!
    Nein, er sollte aufhören so davon zu denken. Es war eine Schönheit von einem Flügel, kein Monstrum. Der Klang passte sehr gut in den Raum, er war auch frisch gestimmt. Federico klappte den Deckel über der Klaviatur nach oben, dann strich er mit den Fingern über den Korpus. Wie er es so oft bei Alexis tat. Es war wirklich eine Liebkosung und wie bei einem Liebhaber, den man lange Zeit nicht gesehen hatte, nahm er sich Zeit sich wieder mit dem Instrument anzufreunden. Sich damit vertraut zu machen. Die Tasten fühlten sich unter seinen Fingerspitzen kalt an. Aber seine Hände waren auch klatschnass. Federico rieb sie an seiner Hose wieder trocken. Dann stand er auf und rückte sich den Hocker zurecht, atmete ein, atmete aus. Legte die Hände an die Tasten und zuckte doch wieder zurück.
    Er hätte nie gedacht, dass es so schwer sein würde!
    Langsam drückte er mit dem Zeigefinger der rechten Hand eine der Tasten nach unten. So langsam und zögerlich, dass überhaupt kein Ton zu hören war. Was sollte er überhaupt spielen?
    Welche Ironie. Er, der über so viele Stücke in seinem Repertoire verfügt hatte, wusste nicht, was er spielen sollte. Federico spürte nicht die Kälte, die sich langsam aber sicher in seinen Körper schlich. Er spürte es nicht, er blickte nur auf die weißen und schwarzen Tasten.

    Alexis bemerkte, dass Federico nicht mehr neben ihm im Bett lag und das wohl schon eine ganze Weile, denn die Bettlaken waren bereits ausgekühlt. Zunächst schenkte er dieser Tatsache keine große Bedeutung, vielleicht war Federico noch hungrig und in die Küche gegangen. Vielleicht sah er auch fern. Aber dann vernahm Alexis den Flügel aus dem Salon, der sich genau unter seinem Zimmer befand. Er dachte zunächst gar nicht an Federico, sondern verdächtigte eher William.
    Ein C-Dur-Akkord, dann F-Dur, G-Dur. Zögerlich wurden die Tasten angeschlagen. Die erste und zweite Umkehrung klangen bereits kräftiger. Dann eine Tonleiter in D-Dur, e-Moll. Eine komplizierte Fingerübung mit Trillern.
    Da war Alexis dann aus dem Bett hochgeschossen und schlüpfte in seinen Morgenmantel. Das war nicht William, der da spielte. Beinahe stürzte er die Treppe hinunter und blieb dann an den Eingangstüren zum Salon stehen. Federico hatte die Augen geschlossen, seine Schultern hoben sich um noch einmal tief Luft zu holen. Als ob er ein Sänger wäre.
    Dann öffnete er die Augen und legte los. Später fragte Alexis seinen Geliebten warum er ausgerechnet dieses Stück gespielt hatte. Federico wusste keine rechte Antwort darauf, es sei ihm als erstes

Weitere Kostenlose Bücher