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Holz und Elfenbein

Holz und Elfenbein

Titel: Holz und Elfenbein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanya T. Heinrich
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gegenwärtigen gestressten Zustand wollte ihm Alexis so eine fiese Kritik ersparen. Daher hatte er den Artikel schnellstmöglich verschwinden lassen wollen. Doch als er dann die entsprechende Seite der Zeitung herausgerissen hatte, war Federico von einer Orchesterprobe nach Hause gekommen und Alexis war nichts anderes übrig geblieben als das Papier unter das Bett zu schieben.
    »Er schreibt, ich hätte Gould kopiert, aber der hätte es bedeutend besser gemacht. Ihr habt doch überhaupt keine Ahnung.« Als ob der Journalist ihn hören würden. »Schmierfinken, die haben doch allesamt keine Ahnung! Als ob...«
    »Gehst du nun zuerst duschen?«, fragte Alexis unvermittelt und versuchte Federico davon abzuhalten eine Tirade gegen die Gesamtheit der Journalisten anzustimmen, was dann länger dauern könnte.
    »Was?«, völlig aus dem Konzept gebracht ob diesen Einspruchs, sah ihn Federico an. »Ich...«
    »Ja, dann geh zuerst,« meinte Alexis, schob Federico schon in Richtung Badezimmer, nahm ihm dabei den Artikel ab und riss ihn entzwei. »Und darüber will ich heute Abend keine Silbe mehr hören.«
    Federico setzte zum Widerspruch an: »Aber das...«
    »Keine Diskussionen heute Abend, bitte!«
    Da murmelte Federico nur noch etwas Undefinierbares und verschwand im Badezimmer. Als Alexis Minuten später auch fertig geduscht war, wunderte er sich, dass Federico bereits im Bett lag. Noch mehr wunderte es ihn, dass Federico die Bettdecke gänzlich über seinen Kopf gezogen hatte. Unschlüssig stand Alexis neben ihrem Bett und versuchte sich einen Reim darauf zu machen. Dann hörte er ein leises Summen unter der Bettdecke. Alexis erkannte die Melodie und verdrehte die Augen. Noch bevor ihn der andere überhaupt bemerkte, zog er an der Bettdecke und darunter hervor kam ein schuldbewusst dreinblickender Federico. Er hatte mit Sicherheit gedacht, dass Alexis länger unter der Dusche brauchen würde. »Es ist nicht so wie du denkst.«
    »Ach! Das wollen wir doch mal sehen«, entschied Alexis, nahm Federico den ipod aus der Hand und sah sich bestätigt als er den Titel des Stückes auf dem Display sah.
    »Federico, ich habe dir doch gesagt, dass wir heute Abend diese Sache vergessen. Nur weil irgend so ein drittklassiger Reporter behauptet hat, Gould hätte die Italienischen Konzerte besser gespielt, musst du nicht gleich überreagieren und jetzt sämtliche Aufnahmen, die du von Gould hast anhören, um zu vergleichen ob nicht doch etwas Wahres daran ist.« Noch dazu hatte Federico die Schnipsel aus dem Mülleimer gefischt und auf dem Nachttisch wieder zusammengepuzzelt.
    »Warum willst du immer der Beste sein Fedri?« Alexis setzte sich neben Federico auf das Bett und schaltete den ipod aus.
    »Willst du das etwa nicht?«
    »Schon, aber«, Alexis besann sich, dann begann er von Neuem. »Ich weiß, das nächste Konzert ist sehr wichtig für dich. Immerhin ist es dein erstes Konzertprogramm, das du nach deiner Zwangspause neu einstudiert hast. Es ist ja verständlich, dass die Fachpresse nun gespannt darauf ist, wie du dich anstellst.« Alle anderen Konzerte, die Federico nach dem Gewinn des Chopin-Wettbewerbs bestritten hatte, waren Stücke gewesen, die er noch während seiner Zeit als Schüler und Student des Genfer Konservatoriums geübt hatte. Dieses Mal jedoch musste Federico nicht nur sein spielerisches Können unter Beweis stellen, sondern auch, dass er über den nötigen Sachverstand und Erfahrung hatte ein Klavierwerk selbst zu interpretieren und sich nicht auf die Meinungen und Ansichten von Dozenten und Professoren zu verlassen.
    »Schön, dass du mir den Druck nehmen willst.«
    »Ich will darauf hinaus, dass du es schon schwer genug hast, dann plage dich nicht mit den Aussagen eines dahergelaufenen Schmierfinkens, der wahrscheinlich selbst noch nie Klavier gespielt hat. Das ist es einfach nicht wert. Konzentriere dich auf das Konzert. Du bist besser als Glenn Gould«, fügte er schlussendlich an.
    »Das sagst du jetzt nur, damit ich Ruhe gebe.«
    »Ganz sicher nicht.«
    »Dann sagst du es, weil du Gould noch nie leiden konntest.«
    »So würde ich das nicht sagen. Ich finde, er hatte durchaus gute Ideen und er war ein vorzüglicher Pianist. Aber - ach Fedri - Glenn Gould ist tot und über die Toten verliert man nie ein schlechtes Wort. Und außerdem bist du noch so jung. Es darf dich nicht wundern, wenn dich solche Redakteure für einen unreifen Bengel halten.« Bevor Federico wieder protestierte, drückte er ihn auf

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