Holz und Elfenbein
die Matratze zurück. »Ich habe mir auch schon so manches anhören müssen. Ich verstehe das, aber jetzt wollen wir bitte nicht mehr darüber reden, okay?«
Federico konnte auch nicht mehr darüber reden, denn Alexis verstand es gut seinen Mund mit ganz anderen Dingen zu beschäftigen. Normalerweise würde Federico den Kuss enthusiastisch erwidern, er würde seine Hände in Alexis' Haare vergraben oder seine Hände unter Alexis' Shirt wandern lassen, oder Hose. Heute jedoch nichts dergleichen. Wahrscheinlich ging ihm noch der Zeitungsartikel im Kopf herum, außerdem war Federico schon den gesamten Abend recht abgespannt und müde gewesen. Sie sahen einander in die Augen. Resigniert gab Alexis nach und rollte sich auf seine Seite des Bettes. Während er sich tiefer in die Decken vergrub, versuchte er nachzurechnen, wann sie das letzte Mal miteinander geschlafen hatten. Alexis seufzte, er hätte von sich selbst auch nie gedacht, dass er so süchtig nach dem Sex mit Federico werden konnte. Aber es stimmte einfach alles zwischen ihnen, wenn sie ›es‹ taten. Nun, die Betonung lag wohl auf ›wenn‹. Wenn sie es denn taten.
Er hatte sich berechtigte Hoffnungen gemacht, so wie ihn auch Federico im Restaurant angeblickt hatte. Schließlich ließ er das Grübeln sein, denn Federico hatte sich eng an ihn geschmiegt.
»Wenn du die ganze Arbeit machst, dann könnte ich schon...«
»Nein«, Alexis strich Federico über den Arm. »Ist schon in Ordnung, du hast es gerade ziemlich stressig.«
Federico seufzte dankbar und war kurz darauf eingeschlafen.
2
Falls Alexis von einem herrlichen Blowjob am Morgen geträumt hatte, quasi als kleine Wiedergutmachung für den etwas verkorksten gestrigen Abend, dann wurde er einmal mehr enttäuscht. Alexis war gerade aufgestanden und wollte ins Badezimmer gehen, da kam ihm bereits Federico entgegen: Fertig geduscht, frisch rasiert und noch mit der Zahnbürste im Mund.
»Ich muss gleich los«, nuschelte er so gut es ging und schrubbte sich weiter die Zähne. Dann war er auch schon an Alexis vorbei gefegt, der in den Morgenstunden sowieso nicht gerade sehr aufnahmebereit war. Federico wusste das und reichte ihm eine große Tasse mit Kaffee, während er seine eigenen in einen Thermobecher umfüllte. Auf dem Metall des Bechers war ein Flügel eingraviert. Ein Geschenk von Alexis‘ Schwestern zu Federico letztem Geburtstag.
»Sehe ich dich zum Mittagessen?« Alexis inhalierte regelrecht den Duft des frisch aufgebrühten Kaffees.
»Was?« Federico kramte seine Noten zusammen, sah nur kurz auf. »Ja, ich ruf dich an.«
Keine drei Minuten später war sein Partner bereits aus der Wohnung verschwunden und hinterließ nur einen etwas neben sich stehenden Alexis. Er selbst hatte heute einen Arbeitstag in der Bibliothek geplant. Er musste endlich einmal wieder an seiner Dissertation arbeiten. In den letzten Wochen hatte er dieses Thema sträflich vernachlässigt. Stattdessen hatte er die Zeit dazu investiert sein Konzertprogramm für das nächste halbe Jahr etwas umzustellen, was selbstverständlich etliche Stunden Übungsarbeit an der Orgel mit sich gebracht hatte. In Wirklichkeit war es nur eine Flucht vor der Doktorarbeit gewesen, er hatte das Gefühl, dass er auf diesem Gebiet zunehmend ins Stocken geriet. Ganz so wie seine Beziehung zu Federico.
Nein, das sollte jetzt nicht negativ klingen. Aber es war nicht zu leugnen, dass sie zurzeit beide von ihrer Arbeit und Karriere so eingespannt waren, dass ihre Zweisamkeit auf der Strecke blieb. Früher, damals als sie sich kennengelernt hatten, da war es anders gewesen. Federicos Karriere hatte sich in einer Sackgasse befunden, er hatte keinerlei Konzerttätigkeit wahrnehmen können. Da hatten sie zwar mehr Zeit für einander gehabt, aber Federico war nicht glücklich damit gewesen. Er hatte so hart daran gearbeitet wieder auf der Bühne zu stehen, vor mehreren hundert Zuschauern am Flügel vorzuspielen. Und Alexis hatte einen nicht unerheblichen Anteil daran, dass Federico heute wieder in der Lage war die schönsten Meisterwerke der Klavierkunst wie kein Zweiter darzubieten. Nichtsdestotrotz, manchmal wünschte sich Alexis, dass sie ein etwas geregelteres Leben führen würden. So wie jetzt in diesem Moment, er stand alleine in ihrer absolut überheizten russischen Wohnung, eine Tasse mit Kaffee in der Hand und Federico hatte nichts anderes im Kopf als die nächste Probe mit dem verdammten Orchester.
Schließlich hatte es Alexis nur seiner
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