Holz und Elfenbein
Zeit viel Schlaf gefunden. Wenn sie dann einmal ungestört waren, hatten sie Federicos Sieg auf ganz private Weise gefeiert. Quasi als Belohnung für die Aufregungen der letzten vier Wochen waren sie direkt von Warschau aus nach Paris geflogen und genossen nun einige unbeschwerte Tage.
Er war wieder zurück, so viel stand fest. So war es auch kein Wunder, dass eine englische Zeitung, die Alexis heute Morgen im Kiosk ihres Hotels gekauft hatte, im Feuilletons titelte ›Federico Batist strikes back‹, ganz in Anlehnung eines bekannten Filmtitels.
Die Zeitung lag zwischen ihnen auf dem Tisch und Federico betrachtete lächelnd das Farbfoto, das ihn und Alexis im Moment der Bekanntgabe der Preisträger zeigte.
Jetzt wusste wohl alle Welt, dass er schwul war, doch ihm war es herzlich egal. Nicht nur, dass er mehr als 40.000 Euro an Preisgelder kassiert hatte. Er hatte bereits Angebote der namhaftesten Konzerthäuser der Welt vorliegen. Federico brauchte sich nur die besten aussuchen. Die Frage war nur, ob er das wollte.
› Noch Zeit genug sich darüber Gedanken zu machen‹, dachte er, lehnte sich zurück und genoss die letzten warmen Strahlen der Herbstsonne. An so einem sonnigen Herbsttag vor zwei Jahren in Genf hatte er Alexis kennengelernt. Zwei Jahre! Eine lange Zeit und doch war es Federico wie gestern als ihm damals Alexis auf dem Campus des Konservatoriums begegnet war.
Federico löste den Blick von der Zeitung und studierte das Gesicht seines Gegenübers.
»Ich hätte das nie durchgestanden, wenn du nicht bei mir gewesen wärst«, bekannte er freimütig.
Alexis sagte nichts, griff lediglich nach Federicos Händen. Zärtlich strich er über die Narben, wie er es so oft in den vergangenen Wochen getan hatte.
Lange sahen sie sich in die Augen, bevor einer den Mut aufbringen konnte es zu sagen.
»Ich liebe dich.«
ENDE
RUSSISCHE SCHOKOLADE
1
Alexis saß vor seiner Tasse mit Russischer Schokolade und rührte eifrig mit dem Löffel darin herum um das Sahnehäubchen immer kleiner werden zu lassen. ›Russische Schokolade‹, vergnügt grinste er bei diesem kleinen persönlichen Wortspiel. Es traf einfach so gut auf den Mann zu, der ihm gegenüber am Tisch Platz genommen hatte: Federico Batist. Angehender Starpianist von Weltruhm, Gewinner des Chopin-Wettbewerbs in Warschau, attraktiv, jung, knackiger Hintern und – dies war am wichtigsten – Alexis‘ Freund, Partner und Liebhaber. Auf den ersten Blick wirkte Federico geradezu unscheinbar. Zwar schlank, aber nicht sonderlich groß gewachsen. Blonde halblange Haare, die ihm einmal wieder bis zu den Schultern reichten und Alexis im Stillen als ›Franz-Liszt-Gedächtnisfrisur‹ beschrieb. Doch unbestreitbar war Federico zu einer Leidenschaft fähig, die die Menschen in ihren Bann zog und die man ihm so gar nicht zuzutrauen vermochte. Wenn er am Klavier saß und es schaffte mit seinem Talent und seiner Fähigkeit ganze Konzertsäle zu verzaubern. Von seiner Leidenschaft im Schlafzimmer ganz zu schweigen. Da verblüffte Federico sogar Alexis von Zeit zu Zeit mit einer Hingabe, die ihresgleichen suchte.
Nicht, dass er in der letzten Zeit viel von dieser ganz speziellen Leidenschaft erfahren hätte. Federico war gerade viel zu beschäftigt mit seinen aktuellen Projekten, so dass er kaum noch Zeit zum Schlafen fand. Ganz zu schweigen von körperlichen Genüssen, die Alexis in diesen Minuten so vorschwebten. Aber nein, statt eine heiße Nummer zu schieben, fiel Federico jede Nacht wie ein Stein ins Bett und war bis zum Klingeln des Weckers am nächsten Morgen gar nicht mehr ansprechbar. Wie aufs Stichwort gähnte Federico auch jetzt und lehnte mit dem Kopf an der Wand. Alexis hatte ihn von den Proben mit dem Orchester abgeholt. Natürlich hatten die Proben wieder länger gedauert, er hatte eine ganze Stunde gewartet. Das Konzert stand jetzt kurz davor und da war es selbstverständlich, dass die Vorbereitungen nun intensiver wurden. Jedoch machte sich Alexis ein bisschen Sorgen um seinen Freund. Immerhin war Federico sein Comeback erst vor gut einem Jahr gelungen. Seine Ärztin und auch die Physiotherapeutin hatten Federico eingeschärft, dass er regelmäßig seine Lockerungs- und Ausgleichsübungen durchzuführen hatte. Andernfalls könnte er erneut eine Entzündung der Sehnen erleiden. Im vergangenen Sommer nach den zahlreichen Konzerten, die sich an den Gewinn des Wettbewerbs in Warschau angeschlossen hatten, hatte Federico zusätzlich noch in Wien eine
Weitere Kostenlose Bücher