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Holz und Elfenbein

Holz und Elfenbein

Titel: Holz und Elfenbein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanya T. Heinrich
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fort.
    Alexis versuchte sich zu verteidigen: »Es stand in allen Zeitungen, jeder weiß es.«
    »So etwas tut man trotzdem nicht.« Federico maß ihn mit einem abschätzigen Blick. »Kein Wunder, dass es heißt du seist arrogant.«
    Da schnappte Alexis nach Luft und so langsam fühlte auch er sich zunehmend verärgert. Was fiel dieser Diva von einem Pianisten überhaupt ein? »Immer sagen sie, ich wäre arrogant, aber niemand fragt sich, warum es so gekommen ist«, erwiderte er. Niemand machte sich die Mühe zu verstehen, dass man sich als Schwuler ein dickes Fell zulegen musste. Gerade Alexis hatte dies bitter erfahren müssen. Es hatte einige Wettbewerbe in seiner bisherigen Laufbahn gegeben, die er nicht gewonnen hatte, weil die Leute in der Jury homophob gewesen waren und ihn auf den zweiten Platz verwiesen hatten. Bei Alexis war diese Arroganz einfach nur ein Selbstschutz, der ihm half mit Anfeindungen zurecht zu kommen. Nach der missglückten Beziehung zu Henry war dieser Panzer sogar noch dicker geworden. Henry, das Schwein, das ihn in einem Brightoner Hotelzimmer schamlos betrogen hatte. So, dass Alexis nicht einmal der Anblick des Verrats erspart geblieben war. Zwangsläufig hatte ihn dieses Erlebnis beeinflusst.
    »Dein Mitleid für Lucrezia ist völlig umsonst, sie empfände auch keines für dich. Solche Gefühle sind völlig fehl am Platz. Zeig etwas mehr Biss und Kampfbereitschaft«, kam Alexis wieder auf das ursprüngliche Thema zurück.
    »Wenn das heißt so zu werden wie du, dann nein. Wie gesagt Alexis, das mag deine Art sein, meine ist es nicht.«
    Dann wandte sich Federico endgültig zum Gehen und dieses Mal hielt ihn Alexis nicht auf.

8

    Anmutig und wild zugleich bewegten sich seine Finger über die Tasten des Flügels. Schwierigkeiten schienen diese Hände nicht zu kennen als sie sich mit beängstigender Geschwindigkeit durch die Stücke spielten. Jede noch so schwierige Passage perfekt meisterten, jedes Fortissimo kraftvoll ausführten und auch im leisesten, zarten Pianissimo ihre Ausdruckskraft nicht verloren. Federico hielt erst gar nicht inne und stimmte erneut den dritten Satz der Mondscheinsonate an. Dies hier war keine Übungsstunde. Er hatte nicht einmal Noten aufgelegt. Nein, dies hier war nur ein Beweis, dass er nicht umsonst als der beste Pianist des Konservatoriums galt. Doch wem wollte er dies beweisen? Sich selbst? Lucrezia? Alexis? Vor allem sich selbst wollte er die Sicherheit geben. Wollte Gewissheit haben, dass seine Hände selbst nach nun mehr fast einer Stunde ununterbrochenen, anstrengenden Spiels keinerlei Ermüdungserscheinungen aufwiesen. Von wegen, er bringe es nicht mehr. Mit einer neuen Welle von Wut, sein Spiel wurde noch leidenschaftlicher, dachte er an Lucrezias Worte von heute Mittag zurück.
    »Ha!«, machte Federico triumphierend und zauberte einen wahren Regen, nein ein Gewitter, von Akkorden auf den Flügel. Wenn Lucrezia dies hier hören könnte, würde sie es sich zweimal überlegen Gerüchte über seine Spielkunst in die Welt zu setzen. Es ärgerte ihn gewaltig, dass sie überhaupt diese Unverfrorenheit besaß.
    Doch Federico war sich auch ziemlich sicher, dass man es Lucrezia erzählen würde was für einen Gewaltmarsch er heute Nachmittag auf dem Flügel vollführte. Bewusst hatte er die Tür zum Übungsraum halb offen stehen gelassen. Ganz nach Alexis‘ Vorschlag, dass er Lucrezia auf fachlicher Ebene düpieren sollte. Auch dies wurmte Federico, dass er sich überhaupt auf so ein Niveau herabließ und mit seinen Fähigkeiten prahlte. Dabei hatte er doch Alexis entgegen gehalten, dass er nichts von dessen Stil und Arroganz hielt. Dieser Arrowfield machte es ja genau so und rieb alles und jedem unter die Nase, dass er ein wahrer Meister an der Orgel war. Jedoch konnte man Lucrezia wohl wirklich nur so beikommen.
    Federico presste die Lippen zu einem dünnen Strich zusammen. Aber nichtsdestotrotz Lucrezia hatte recht. Natürlich würde Federico es nie und nimmer zugeben, auch würde es keiner der Studenten und Professoren glauben, die an dem Zimmer vorbeigingen und ihn jetzt spielen hörten. Doch dass er heute überhaupt am Flügel saß und selbst die Polonaise Chopins makellos brillant ausführte, verdankte er einzig und allein Schmerztabletten – und der Freundlichkeit eines Arztes, der ihm heute Morgen ohne viel Aufhebens eine neue Packung verschrieben hatte, mit der Mahnung seinem Gelenk besser eine Woche Ruhe zu gönnen statt Tabletten einzunehmen.

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