Holz und Elfenbein
die Zeitverschiebung nach Singapur. Wie viele Stunden waren es doch gleich?
Oder sollte er nicht doch besser mit Frank reden? Aber er hatte den Freund erst gestern zwei Stunden lang in Beschlag genommen und mit ihm die Situation erörtert. Franks Standpunkt war wenig erfreulich gewesen. Wenn es nach ihm ginge, sollte sich Alexis endgültig von Federico trennen. Bevor er sich womöglich in einem halben Jahr nur umso enttäuschter zu diesem Schritt durchringen musste. Diese Option gefiel Alexis gar nicht, so vernünftig es vielleicht auch war.
Insgeheim hoffte er, dass seine Eltern nicht so vernünftig waren und wählte die Nummer.
»Ihr seid noch wach?«, begrüßte er seinen Gesprächspartner als Alexis realisiert hatte, dass es in Singapur bereits später Abend war. Es war sein Glück, dass heute kein Empfang oder sonst eine gesellschaftliche Verpflichtung stattfand, die seinen Vater aufhalten könnte.
»Hallo Alex. Meldest du dich auch mal wieder?« Natürlich hatte sein Vater gleich die Stimme erkannt. Wie jedes Mal musste er sich anhören, dass er sich schon zu lange nicht mehr gemeldet hatte. Doch die elterliche Rüge fiel noch einigermaßen mild aus, seine Mutter hätte länger darauf herumgeritten.
»Kommst du nun über Weihnachten zu uns? Und kommt Federico auch mit? Wir würden uns sehr freuen ihn kennen zu lernen.« Darauf nahm Alexis Gift. Nach seinem letzten Freund, den seine Eltern ganz eindeutig nicht leiden konnten, waren sie nur umso mehr darauf erpicht zu sehen, was sich ihr Sohn dieses Mal angelacht hatte. Das hatte er nun davon, dass er in einem Überschwang von Euphorie ihnen von Federico erzählt hatte. Noch dazu, dass er angedeutet hatte Federico würde ihn vielleicht mit nach Singapur begleiten. Dabei war das nur eine fixe Idee gewesen. In Wahrheit hatte er keinerlei Gelegenheit mehr gehabt mit Federico über dessen Pläne für das bevorstehende Weihnachtsfest zu reden.
»Ich denke nicht«, antwortete er seinem Vater ausweichend und starrte auf sein Flugticket, das auf dem Regal neben ihm lag. Er hätte Federico gerne dabei gehabt, keine Frage. Auch wenn dies anfänglich etwas unbehaglich gewesen wäre, wie das nun einmal so mit neuen Partnern war, die man der Familie vorstellte. Doch trotz allem glaubte er, dass seine Eltern Federico mögen würden. Von seinen beiden jüngeren Schwestern ganz zu schweigen.
»Das klingt nicht gut.«
Hatte Alexis eben etwa so niedergeschlagen geklungen? Nun, aber er sprach mit seinem Vater, was hatte er erwartet.
»Habt ihr Streit? Jetzt schon?«
»Nein... Ja... Nicht direkt. Es ist kompliziert.«
»Ach Alex, wann ist es das nicht.« Alexis vernahm das leise Klicken einer sich schließenden Tür durch die Leitung. Wahrscheinlich ging sein Vater in einen Raum, wo er garantiert ungestört war. Das war immer seine Art, auch bei dienstlichen Gesprächen, die einen heiklen Charakter angenommen hatten.
Auch Alexis setzte sich auf die Couch, es würde ohnehin ein längeres Telefonat werden. »Federico hat große Probleme. Seine rechte Hand ist sehr angeschlagen. Er kann zurzeit nicht Klavier spielen.«
Natürlich wussten seine Eltern, was denn Federicos Profession war. »Das tut mir leid zu hören. Ich habe gelesen, dass er ein so hoffnungsvolles Talent sein soll. Wie ernst sind diese Probleme?«
»Er war gestern beim Arzt. Anscheinend ist es eine Entzündung, die sich über längere Zeit verschleppt hat. Zusätzlich scheint er eine unglückliche anatomische Veranlagung zu haben, die sich negativ auf die Sehnen auswirkt.«
»Heißt das, er muss das Studium aufgeben?«
»Wenn es sich nicht bessert, im schlimmsten Fall ja.« Alexis selbst spürte einen Klos im Hals als er diese Worte aussprach. »Niemand weiß es, nicht einmal seine Dozenten. Federico hat Angst, dass es ihn die finanzielle Unterstützung der Stiftung kosten wird, sobald es publik wird. Er möchte noch abwarten und hofft, dass er bald wieder in der Lage sein wird zu spielen.«
»Ist das eine berechtigte Hoffnung?«
Alexis seufzte schwer und zuckte mit den Schultern, auch wenn das sein Vater nicht sehen konnte: »Das weiß ich nicht.«
»Ich würde ihm gerne helfen, wo ich nur kann«, sprach er nach einer kurzen Pause weiter. »Wenn er nicht mit unserem Dekan reden will, dann tue ich es. Meine Argumente sind womöglich auch etwas... überzeugender«, betonte Alexis dieses letzte Wort.
Eine bedeutungsvolle Stille herrschte zwischen den beiden Männern. Alexis war sich sicher, dass sein
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