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Holz und Elfenbein

Holz und Elfenbein

Titel: Holz und Elfenbein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanya T. Heinrich
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kurzen Moment. In der Hoffnung er würde Schritte hören, Federicos Schritte, die ihm nacheilten. Doch kein Rufen, nur Stille als er das Treppenhaus hinabging.
    Unten blieb er noch einmal stehen, das Taxi wartete bereits und der Fahrer lud seinen Koffer ein. »Zum Flughafen?«

17

    Als Federico erwachte, war das Bett neben ihm leer.
    »Alex?«, fragte er noch schlaftrunken und tastete zwischen den Bettlaken nach dem vertrauten Körper des Geliebten. Aber da war niemand, auch die Laken waren nicht mehr warm. Gähnend griff er nach dem Morgenmantel, der vergessen auf einem Stuhl neben dem Bett lag und zog ihn sich über. In der Wohnung war es dunkel und still, kein Wasserplätschern aus dem Badezimmer, kein zischender Wasserkocher. Er war alleine.
    Erst als er den Zettel in der Küche fand, fiel es ihm ein. Alexis konnte ja gar nicht hier sein, er war unterwegs zu seiner Familie nach Singapur. Federico hätte mitkommen können, aber in seinem jetzigen Zustand war er nicht gerade eine Augenweide und auch nicht sonderlich erpicht darauf die Eltern seines Freundes kennenzulernen. Er war schon öfters über Weihnachten alleine gewesen. Nicht zum ersten Mal saß er an Heilig Abend alleine vor dem Fernseher.
    › Keine große Sache!‹, sagte er sich. Aber es war das erste Mal, das er das Fest mit seinem Geliebten hätte verbringen können und dieses Mal wusste er auch nicht, wie es nach den Festtagen weitergehen sollte.
    Er presste den Zettel mit Alexis‘ Nachricht an seine Brust, so als ob dies den geliebten Menschen irgendwie näher zu ihm brachte. Alexis hatte geschrieben, dass Federico die ganze Zeit hier in der Wohnung bleiben konnte. Neben der Notiz lag auch gleich der Zweitschlüssel und ein diskreter Umschlag mit Geld für die nötigen Einkäufe. Ja, Alexis dachte eben an alles. Darum war Federico dankbar, er würde um nichts in der Welt im Wohnheim bleiben wollen. Dann lieber hier, auch wenn es hieß, dass er irgendwann – am besten noch heute – einkaufen ging, denn der Kühlschrank war erschreckend leer, darum auch das Geld. Klar, Alexis hatte ja ursprünglich auch nicht geplant gehabt, dass jemand hier wohnen würde.
    Federico schlug die Kühlschranktür wieder zu und machte sich einen Kaffee, ertappte sich dabei wie er schon automatisch eine zweite Tasse aus dem Schrank nahm. Das brachte ihn fast zum Weinen.
    »Es ist doch nur eine Tasse. Verdammt noch mal«, ging er mit sich selbst ins Gericht und verstaute das zusätzliche Geschirrstück wieder auf seinem Platz. Es waren wohl die Medikamente, die ihn so weinerlich machten.
    Immerhin war er nicht mehr müde, die Schlaftabletten hatten hierzu ihr übriges getan, aber er fühlte sich dennoch erschöpft und kaputt. Ja, regelrecht erschlagen. Schon gestern waren ihm viele Dinge durch den Kopf gegangen, aber erst jetzt schien er es so richtig zu begreifen. Das was geschehen war und auch die damit einhergehenden Konsequenzen. Vor dem versammelten Publikum, Schüler, Studenten, Professoren und geladenen Gästen hatte er sich blamiert. Hatte ihnen recht drastisch vor Augen geführt, dass der hoffnungsvolle, angehende Starpianist Federico Batist nicht mehr länger in der Lage war zu konzertieren.
    Wenn er nicht mehr Klavier spielen konnte, dann würde ihm auch das Stipendium gestrichen werden. Ohne Stipendium kein regelmäßiges Einkommen und er kratzte doch sowieso schon am Minimum. Es war hoffnungslos. Er war ein hoffnungsloser Fall. Nicht nur wegen des Geldes, aber sein Leben hatte doch keinen Sinn mehr, wenn er nicht mehr länger musizieren konnte. Er kannte doch nichts anderes, immer hatte es für ihn nur das Klavier gegeben.
    Also, was sollte er jetzt noch tun?
    Mit der linken Hand kratzte er das Pflaster ab, das die Bandagen an seinem Handgelenk hielt. Er hatte sie die gesamte Nacht getragen und jetzt juckte es fürchterlich unter dem Verband. Während er die Binde abwickelte, fielen endgültig die ersten Tränen und wurden zu lauten Schluchzern als er seine Hand weiter betrachtete. Als er versuchte die Finger zu bewegen und sie so steif und verkrümmt blieben. Er fragte sich, wie es hatte so weit kommen können. Wäre seine Lage nicht so verzweifelt, wenn er dem Rat von Alexis gefolgt wäre und schon vor Monaten einen Arzt konsultiert hätte? Niemand konnte ihm wohl diese Frage beantworten.
    Die Tränen kullerten nur so über seine Wangen und er wischte sie mit dem Ärmel des Morgenmantels weg. Kraftlos ließ er sich gegen die Wand sinken. Den Kaffee hatte

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