Holz und Elfenbein
er längst vergessen. Wenn Alexis doch hier wäre. Warum war er so dumm gewesen und hatte ihn weggeschickt? Aber wäre es fair gewesen Alexis darum zu bitten hier zu bleiben? Nein, das hätte Federico nicht verlangen können. Nicht, nachdem Alexis zu ihm zurückgekommen war und ihm jede Unterstützung angeboten hatte. Dies war der einzige Lichtblick während dieses verdammten gestrigen Tages gewesen: Wie Alexis zu ihm in das Vorbereitungszimmer gekommen war und bekannt hatte, dass er bei ihm bleiben wolle.
Federico hätte nicht sagen können, wie lange er so auf dem Boden saß. Eingehüllt in den Morgenmantel seines Freundes. Er konnte Alexis‘ Duft auf dem Stoff ausmachen, beinahe war die Illusion perfekt und er glaubte, Alexis säße wirklich neben ihm. Die Tränen wollten nicht versiegen, quollen erneut hoch als er sich seiner derzeitigen Lage bewusst wurde. So hörte er auch nicht, wie sich der Wohnungsschlüssel im Schloss drehte und die Tür aufgestoßen wurde. Erst als er das Knistern von Papiertüten vernahm, sah er auf. Dort stand Alexis in der Küche und lud seine Einkäufe auf dem Tisch ab. Er murmelte dabei irgendetwas von Dienstboten und wie voll es in den Läden gewesen war. Federico wusste nicht, was er sagen sollte, ihm blieben die Worte regelrecht im Hals stecken. Alexis fuhr sich durch die Haare und seufzte laut auf als er Federico so dasitzen sah. Während er zu Federico herüberkam, zog er seine Jacke aus und warf sie achtlos auf den nächstbesten Stuhl. Er kniete sich vor Federico hin und griff nach dessen Hände.
»Du...«, krächzte Federico, ohne dass er sich dessen groß bewusst war. Er blickte nur unverwandt in diese tiefblauen Augen als ob sie sein einziger Anker wären in seiner Traurigkeit. Er wusste, dass er selbst einen furchtbaren Anblick bieten musste. So verheult wie er war und mit Sicherheit waren seine Augen schon gerötet wie bei einem Zwergkaninchen. Er schniefte.
Alexis hingegen sah so perfekt aus wie eh und je, selbst in abgetragenen Jeans und schlichtem Pullover, offensichtlich sein Reiseoutfit, sah er so unverschämt gut aus!
Alexis schien dies wenig zu kümmern, er schloss ihn nur in die Arme.
»Ich konnte es nicht«, sagte er dann, zog ein sauberes Stofftaschentuch aus der Tasche seiner Hose und wischte Federico wie einem Kleinkind die Tränen ab. »Ich stand am Flughafen und konnte nicht. Du brauchst mich und ich will bei dir sein. Mir ist auch egal, ob du mir das krumm nimmst oder meinst, das nicht von mir verlangen zu können.«
»Danke.« Mehr brachte Federico nicht hervor. Eher heulte er schon wieder los. Auch wenn es dieses Mal mehr aus Rührung und Dankbarkeit geschah.
»Ich war gleich noch einkaufen, dann müssen wir von mir aus nicht mehr aus der Wohnung bis Silvester.« Er zog Federico in die Höhe, der sich das widerstandslos gefallen ließ. »Nur gemütliche Stunden vor dem Fernseher... oder im Bett.«
› Im Bett. Bett. Oh das!‹ Federicos Gedanken wandten sich mit einer beängstigenden Zielstrebigkeit den Geschehnissen der letzten Nacht zu. Zum Glück hatte er die Schlaftabletten erst danach eingenommen, so dass seine Erinnerung an den Sex selbst ungetrübt war. Nie und nimmer hätte er gedacht, dass sie so ihr erstes Mal erleben würden. Dass ihn Alexis an seinen Hintern gelassen hat und mit welcher Selbstverständlichkeit, das konnte er selbst jetzt noch nicht so recht begreifen. Wo Federico nicht gewusst hatte, was er eigentlich tun sollte, hatte Alexis das Heft in die Hand genommen. Als er auf Federico gestiegen war und dann... Oh, es war absolut geil gewesen. Keine Frage. Gegen weitere Aktivitäten dieser Art hatte er wirklich nichts einzuwenden. Doch in seiner gegenwärtigen Verfassung vermochte nicht einmal der Gedanke an heißen Sex ihn abzulenken. Noch immer schniefte Federico vor sich hin. Alexis drückte ihn auf die Couch und verstaute zunächst die Einkäufe, dann trug er seinen Koffer wieder zurück ins Schlafzimmer. Wenig später schob er Federico eine Tasse Tee und eine Scheibe Toastbrot, dick mit Marmelade bestrichen, in die Hand.
»Ich will nichts.«
»Keine Widerrede. Du musst etwas essen. Oder möchtest du etwas anderes?«
»Nein.« Federico gab sich geschlagen und knabberte ein bisschen an dem Toast herum, mehr um Alexis zufrieden zu stellen als dass er tatsächlich Hunger hätte.
»Was wird deine Familie sagen? Deine Eltern?«, fragte Federico leise.
»Das lass schön meine Sorge sein. Ich telefoniere noch heute mit ihnen.
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