Holz und Elfenbein
Sie werden es verstehen.« Dann lachte Alexis leise. »Sie sind bestimmt froh, dass ich mich dafür entschieden habe bei dir zu bleiben. Sie hatten schon Angst wir trennen uns.«
Die Angst hatte Federico gestern auch noch, aber jetzt kuschelte er sich einfach nur an Alexis. Der griff schon nach einer Decke und packte Federico darin ein. »Ich lass dich jetzt nicht mehr gehen, hörst du?« Seine Augen blickten zwar schelmisch doch der Ernst in der Stimme war nicht zu überhören.
Federico weinte bereits wieder. »Ich weiß nicht, was ich machen soll. Ich weiß es nicht, es ist alles weg.« Noch mehr solcher Phrasen kamen ihm über die Lippen und Alexis saß bei ihm, tröstete ihn und wiegte ihn wie ein Kind.
»Hör zu Fedri. Ich weiß, dir geht es schlecht. Du weißt nicht, wie es weitergehen soll. Ich weiß es auch nicht, aber wir finden einen Weg. Du musst jetzt erst einmal wieder zu Kräften kommen.«
Alles was Federico vorbringen konnte war eine Mischung aus Schniefen und Räuspern.
»Außerdem haben wir jetzt endlich einmal Zeit für uns.«
Verdutzt hielt Federico inne, wischte sich die Tränen beiseite und lächelte dann. Er wusste, was Alexis meinte. Noch nie hatten sie die Möglichkeit gehabt so viel Zeit miteinander zu verbringen wie jetzt an den bevorstehenden Feiertagen. Immer hatten sie Termine zu erledigen gehabt, hatten üben müssen und sich für Konzerte vorbereiten. Jetzt gehörte die Zeit ganz ihnen.
Doch in den nächsten Tagen passierte nicht viel. Meistens lümmelten sie faul auf der Couch herum. Beide unterließen sie es tunlichst über Federicos Studium oder seine Hand zu sprechen. Außer natürlich, wenn Federicos Verband neu gewickelt werden musste oder er Schmerzen bekam. Federico war dankbar, dass ihn Alexis nicht bedrängte. Dabei sah er selbst auch mit einigen Tagen Abstand keinerlei Perspektive für sich. Aber wenigstens brach er deswegen nicht mehr in Tränen aus. Nein, man konnte auch nicht sagen, dass er es akzeptiert hätte und sich in sein Schicksal ergab, aber der erste Schmerz, die erste Enttäuschung waren abgeklungen. Im Moment freute er sich daran, dass er mit Alexis so viel Zeit verbringen konnte und den Geliebten immer besser kennenlernte. Auch wenn es Federico sichtlich schwer gefallen war, er hatte sogar mit Alexis‘ Eltern gesprochen. Es hatte sich nicht vermeiden lassen, war er doch der Grund, warum Alexis in der Schweiz geblieben war. Sie hatten Alexis‘ Laptop auf dem Couchtisch aufgestellt gehabt und gemeinsam vor der Webcam gesessen. Zum Glück hatten Alexis‘ Eltern nicht gesehen, wie krampfhaft Federico seine Hände vor Nervosität geknetet und Alexis ihm zur Beruhigung über das Knie gestreichelt hatte.
Doch David und Elizabeth waren wirklich freundlich gewesen, nicht irgendwie aufgesetzt und künstlich, sondern ehrlich freundlich. Es war ihnen anzusehen, wie sehr sie sich für ihren Sohn freuten einen neuen Partner gefunden zu haben und noch mehr, dass es etwas Langfristiges werden sollte.
»Nun ja, welche Eltern leben schon gerne in der Gewissheit, dass ihr Sohn in Bars rumhängt und sich jeden ins Bett zieht, den er kriegen kann«, bekannte Alexis als Federico ihn darauf ansprach.
Es war Heiligabend und gerade waren sie von einem Spaziergang zurückgekehrt. Gemütlich waren sie an der Uferpromenade des Genfer Sees entlanggeschlendert. Es war ein außerordentlich schönes Bild gewesen, das Funkeln und Glitzern der zahllosen Lämpchen und Glühbirnen der Weihnachtsdekoration, das noch vom Wasser reflektiert wurde.
Satt und träge, sie waren noch Essen gewesen, machten sie es sich auf der Couch bequem. »Bevor ich in ein schickes Stadthaus in London gezogen bin, habe ich in einer Schwulen-WG in Soho, gleich an der Old Compton Street, gelebt. Fast drei Semester lang. Du kannst dir gar nicht denken, was da jeden Abend abging.«
Federico sah das breite Grinsen auf Alexis‘ Gesicht und bekam immerhin eine leise Vorstellung davon.
»Die haben es überall miteinander getrieben und es verging kein Tag an dem du nicht jemanden in flagranti auf dem Klo oder im Badezimmer erwischt hättest.«
»Klingt aufregend.«
»Oh, das war es. Ich war eine richtige Szeneschwester zu der Zeit, kaum ein Abend an dem ich nicht in den Clubs war.«
»Und warum nur drei Semester lang, was war danach?«
»Hast du dich nie gefragt, warum ich mit 27 noch studiere? Zugegeben, ich halte nicht so viel von Abschlüssen und Auszeichnungen und habe schon immer die Meinung
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