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Holz und Elfenbein

Holz und Elfenbein

Titel: Holz und Elfenbein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanya T. Heinrich
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sich Eltern dies fragen«, wiederholte Alexis. »Auch für sie ist ein Coming-out ein schwieriger Prozess. Besonders für Dad war es nicht leicht. Du musst wissen, es gibt Psychologen, die schreiben dem Vater eine gewisse ›Schuld‹ zu – sofern man es so nennen will.« Alexis schnaubte. »Es gibt wohl ein Muster das häufiger in Familien mit homosexuellen Kindern vorkommt: Dominante Mütter und zu wenig präsente Väter.«
    »Und dein Vater hat dies auf sich bezogen?« Federico sprach nur leise, er war sich bewusst, dass es ein heikles Thema war.
    »Ja. Es hat lange gedauert bis es mir klar wurde, was für Gedanken in den Köpfen meiner Eltern herumgeisterten. Schließlich hatte ich genug mit mir zu tun. Doch schlussendlich redete ich mit ihnen über diese Vorwürfe, die sie sich selbst machten.
    Ich hatte eine tolle Kindheit! Ich hatte mehr von der Welt gesehen, mehr Menschen kennengelernt als meine Klassenkameraden. Natürlich waren meine Eltern eingespannt, hatten nicht die Zeit immer bei mir und meinen Schwestern zu sein. Wir hatten Kindermädchen und Chauffeure, die uns zur Schule gefahren haben. Doch die Zeit, die wir gemeinsam verbringen konnten, war umso schöner. Nie würde mir in den Sinn kommen zu behaupten mein Vater wäre zu wenig präsent gewesen.« Alexis schwieg, er erinnerte sich noch genau an dieses Gespräch obwohl es schon etliche Jahre zurücklag. »Am Ende haben wir geweint, alle drei.« Er schloss die Augen. »Es war das einzige Mal, dass ich je meinen Vater habe weinen sehen... Nun ja.«
    Federico strich ihm noch immer übers Haar und wenn es nach Alexis gegangen wäre, hätten sie noch lange so bleiben können.
    Doch Federico schien noch ein anderes Thema ansprechen zu wollen. Es gab noch etwas, das ihn beschäftigte. Aber erst am Abend als sie im Bett lagen und das Licht schon gelöscht hatten, rückte Federico endlich mit der Sprache heraus.
    »Deine Schwestern haben so große Pläne, aber was hast du vor?«
    Daher wehte also der Wind. Federico machte sich über seine Zukunft Gedanken und sicher ging es dabei um die Frage, ob sie in Genf bleiben sollten. Das sagte Alexis auch so: »Du möchtest von hier fort.« Es war keine reine Frage und Federico antwortete nicht.
    »Auf jeden Fall schließe ich dieses Semester noch hier ab und du solltest das auch tun«, sprach er weiter.
    Dies provozierte selbstverständlich eine Reaktion in Federico. »Warum denn?«, gab er sich trotzig. »Als ob mir das noch etwas bringen würde. Wie soll ich das überhaupt anstellen ohne Klavier zu spielen!«
    »Du hast einige Vorlesungen und Seminare, in denen du kein Klavier spielen brauchst, wo es nur um Klausuren über Theorie und Musikgeschichte geht. Vielleicht bist du irgendwann noch froh darum, dass du die Prüfungen bestanden hast. Du solltest nicht die Arbeit eines ganzen Semesters einfach so wegwerfen.«
    »Für was bitteschön, soll ich diese blöden Prüfungen denn brauchen? Für was Alexis! Sag mir für was! Was soll ich denn tun?«
    Alexis hörte die Tränen in der Stimme seines Freundes und auch ihm wurde es schwer ums Herz. Ja, was sollte Federico tun? Die Hoffnung, die er und auch Federico hegten, dass die Beschwerden sich entgegen der Prognose des Arztes mit der Zeit besserten, schien nicht einzutreten. Federico nahm jeden Tag Schmerzmittel ein und Alexis fürchtete bereits, er könne davon abhängig werden. Doch hütete er sich noch dies anzusprechen.
    Er schloss Federico in die Arme und zog ihn auf seine Seite des Bettes. Federico beruhigte sich schnell wieder, doch Alexis ließ ihn nicht los.
    »Wir bringen dieses Semester gemeinsam zu Ende. Danach gehen wir nach England, wenn du das möchtest.«
    »Aber dein Studium, du hast gerade hier angefangen...«
    »Ich kann in England weitermachen.« Zwar sträubten sich ihm bei der Aussicht auf den ganzen Papierkram, den eine Exmatrikulation und erneute Einschreibung in London nach sich ziehen würde, die Nackenhaare, aber für Federico würde er dies gerne tun.
    »Und dann?«
    »Ich weiß es nicht«, gab Alexis offen zu und schloss die Augen. Er lehnte mit der Stirn an Federicos Rücken. Sicher könnte Federico als Musiklehrer arbeiten oder Klavierstunden geben. Vielleicht konnte er einmal wieder spielen, nur nicht mehr auf so hohem Niveau wie früher. Er nannte diese Möglichkeiten gegenüber Federico: »Ich kann dich nur unterstützen. Was du tun willst, musst du schon selbst entscheiden.«
    Federicos Schultern sackten in einem Ausdruck absoluter

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